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9. Jahrgang / Heft 1 Mai 2002
EditorialEin Brennpunkt der evolutionstheoretischen Forschung ist zweifellos die Paläoanthropologie, die sich mit fossilen Menschen und Menschenaffen beschäftigt. In den letzten Jahren gelangen einige aufsehenerregende Funde, die die bisherigen Vorstellungen über die Abstammung des Menschen erheblich durcheinanderwirbelten. Die "heißesten Kandidaten" für eine Übergangsstellung zwischen Tier und Mensch, die ausgestorbene Menschenaffengruppe der Australopithecinen, rückte aufgrund der neuen Funde nach den Vorstellungen mancher Forscher großenteils auf einen Seitenast des evolutionären Stammbaums des Menschen. Wir berichteten darüber in den letzten Ausgaben von Studium Integrale journal. Weniger medienwirksam verlief jedoch eine kontroverse Diskussion über die Fortbewegungsweise der Australopithecinen. In den meisten Lehrbüchern wird diese Gruppe als nahezu menschlich aufrecht gehend charakterisiert, doch diese Auffassung wird schon länger bestritten. Mittlerweile mehren sich die Befunde dafür, daß Australopithecus nicht nur ein menschenunähnlicher Zweibeiner war und in Bäumen kletterte, sondern sich auch auf allen Vieren gut fortbewegte. Die Gründe für diese Sichtweise erläutert Michael BRANDT in einem spannend zu lesenden Beitrag. Er kommt zum Schluß, daß der Status von Australopithecus als Hominide in Frage gestellt werden muß. Ohne die Australopithecinen würden die echten Menschen jedoch eine weit isolierte Position gegenüber allen anderen Primaten einnehmen. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob der Zweifel am Hominidenstatus von Australopithecus aus diesem Grund ziemlich tabu ist. Häufig in den Schlagzeilen waren in letzter Zeit auch fossile Funde von befiederten Dinosauriern. Dabei wird meistens der Eindruck erweckt, als sei mit den neuesten Funden die Abstammung der Vögel von Dinosauriern endgültig geklärt. In zwei Beiträgen zu dieser Thematik zeigen Torsten ROSSMANN und André WELLER jedoch, daß widersprechende anatomische Befunde eine Interpretation stammesgeschichtlicher Zusammenhänge erschweren, und kommen zum Schluß, daß anhand des bekannten fossilen Belegmaterials ein Vorläufer-"Dino" als Stammvater aller Vögel momentan nicht in Sicht ist. Lange Zeit "wußte" man, was ein Planet ist und entwickelte auf diesem Wissen theoretische Modelle zur Planetenentstehung. Um diese Vorstellungen zu stützen wurde intensiv nach Planeten außerhalb unseres eigenen Planetensystems gesucht. Es ist keine zehn Jahre her, als endlich der erste Erfolg gemeldet wurde. Mittlerweile nähern sich die Astronomen bereits der Marke von 100 entdeckten extrasolaren Planeten. Doch mit ihrer Entdeckung verloren sie ihr Planetenentstehungsmodell. Denn die bisher aufgefundenen planetenartigen Himmelskörper passen ganz und gar nicht ins bisherige Bild. Norbert PAILER zeichnet diese Entwicklung und ihre unerwarteten Konsequenzen nach. Eine wesentliche Stütze für die Evolutionstheorie liefern Befunde aus der Vergleichenden Biologie. Das Ähnlichkeitsmuster der Lebewesen bildet nach Auffassung vieler Biologen die wichtigste Datenbasis für die Begründung einer allgemeinen Evolution der Lebewesen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei sog. homologe Ähnlichkeiten, die als Hinweise auf Abstammung interpretiert werden. Der Homologiebegriff wurde in der Geschichte der Biologie schon immer kontrovers diskutiert. In den letzten Jahren erhielt diese Diskussion durch embryologische und genetische Befunde neue Nahrung. Es zeigt sich, daß das Ähnlichkeitsmuster der Lebewesen keine einfachen Schlüsse über stammesgeschichtliche Zusammenhänge erlaubt. Das liegt z. B. daran, daß mehr denn je unklar ist, woran stammesgeschichtlich bedingte Homologien festgemacht werden können. Reinhard JUNKER stellt die neueren Entwicklungen vor. Es kristallisieren sich Hinweise heraus, daß die Lebewesen baukastenartig konstruiert sind. In der Geologie werden für die Bildung von Sedimentpaketen und der darin eingeschlossenen Fossilien gewöhnlich große Zeiträume veranschlagt. Manfred STEPHAN hat sich intensiv mit den Nusplinger Plattenkalken auf der Schwäbischen Alb beschäftigt und kann anhand zahlreicher Indizien zeigen, daß statt der üblicherweise angenommenen einige 10.000 Jahre eine Bildungsdauer von wenigen Jahrzehnten plausibler ist. Sein Beitrag, dessen zweiter Teil in der nächsten Ausgabe folgen soll, zeigt darüber hinaus auf anschauliche Weise, wie anhand von geologischen Indizien Rückschlüsse auf vergangene Abläufe gezogen werden können. So wird Geologie lebendig! In diesem Sinne wünscht Ihnen eine gewinnbringende Lektüre Ihre Redaktion Studium Integrale journal | ![]() |
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