Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 13. Jg. Heft 1 - Mai 2006
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13. Jahrgang / Heft 1 - Mai 2006

Themen

• H. Ullrich, N. Winkler & R. Junker
Zankapfel Auge. Ein Paradebeispiel für „Intelligent Design“ in der Kritik
• P. Imming
Die fehlenden Spiegelbilder. Erklärungsversuche für das Phänomen der natürlichen Homochiralität
• M. Stephan
Überraschender Befund: Gras gab es schon zur Zeit der Dinosaurier.

Kurzbeiträge

• N. Cincinnati
Ein Mythos des „Wissenschaftszeitalters“: Das Weltbild von der Erdscheibe im Mittelalter
• R. Junker
Gefiederte Dinosaurier – eine Fehldeutung?
• R. Junker
Neue Rekonstruktion bestätigt: Ichthyostega ist kein Bindeglied
• M. Brandt
Kletternder Australopithecus mit nichtmenschlichem zweibeinigen Gang ein Hominide?
• N. Winkler
Ameisen – neue Überraschungen (Teil 1)
• C. Knobel
Ein Quasar älter als das Universum?

Streiflichter

•  Altersbestimmung mit Hilfe von Kratern deutlich revidiert
•  Hinweis auf frühere Mars-große Objekte im Asteroidengürtel
•  Entstehung der kambrischen Tierwelt – auch nach molekularen Daten explosiv
•  Ein weiteres rätselhaftes Fossil aus dem Kambrium
•  „Urvogel“ mit Dinofuß
•  Narwale mit hochempfindlichem Stoßzahn
•  Räuberische Raupe mit Spinn-Technik
•  Panderichthys – Fisch mit Vierbeiner-Merkmalen?
•  Entzückender Dinorücken
•  Schnabelvariation bei Darwinfinken: nur ein Schalter
•  Menschliche Fußspuren in Amerika auf 1,3 Millionen Jahre datiert
•  Hin und Her im Hirn
•  Mensch von Anfang an: Altruismus so alt wie die Gattung Homo

Rezension

•  R. Junker The Plausibility of Life. Resolving Darwin’s Dilemma










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Editorial

In der ersten Ausgabe dieses Jahres erschien in der Wissenschaftszeitschrift Nature (Jg. 439, S. 10-12) ein bemerkenswerter Kommentar von Geoff BRUMFIEL über neuere Erkenntnisse zur Feinabstimmung von Naturkonstanten im Universum, über das „anthropische Prinzip“ und die „Multiversen“-Hypothese. Letztere besagt, daß es so viele Universen gebe, daß es darunter aufgrund ihrer immensen Anzahl auch ein solches gebe, dessen Physik und Naturkonstanten zufällig so eingerichtet seien, daß Leben möglich sei und letztlich auch der Mensch entstehen konnte. Damit wird implizit zugegeben, daß man im Universum mit einer Art von Design konfrontiert ist, die physikalische Welt ist für „Leben“ vielfach zweckmäßig eingerichtet. Die Multiversen-Hypothese ist ein Kunstgriff, um die Schlußfolgerung von einem intelligenten Ursprung des Designs vermeiden zu können. Im genannten Nature-Artikel werden auch kritische Stimmen zur Vorstellung von Multiversen zitiert, darunter auch der Einwand, die Hypothese von Multiversen sei nicht falsifizierbar und darum nicht Gegenstand der Naturwissenschaften. Darauf antwortet Leonard SÜSSKIND, es sei sehr töricht, die richtige Antwort zu verwerfen, nur weil sie einigen Kriterien von Wissenschaftlichkeit nicht genüge.

In der Tat: Läßt sich die Realität in das Korsett eines bestimmten Wissenschaftsverständnisses zwängen? Ist ausgemacht, daß die Methode der empirischen Forschung die Realität erfassen kann, auch wenn sie sehr erfolgreich ist? Wenn man allerdings den Einwand von SÜSSKIND gelten läßt, dann darf man auch die Möglichkeit von echtem Design (d. h. Design, für welches ein intelligenter Urheber verantwortlich ist) nicht von vornherein ausschließen, nur weil diese Vorstellung gewissen Kriterien für Wissenschaftlichkeit oder dem Geschmack der heutigen Wissenschaftsgemeinde nicht genügt. Ist es überzeugender, stattdessen die Existenz von 10500 Universen zu postulieren?

Noch viel mehr als in der Astronomie ist „Design“ ein Thema in der Biologie. Daß die Strukturen des Lebens zweckmäßig sind und daß es „Design“ gibt, steht außer Frage. Hier gilt aber schon lange als ausgemacht, daß der Schluß auf einen zielorientiert agierenden Designer ein Trugschluß sei. In den letzten Monaten war dieses Thema Gegenstand zahlreicher Beiträge. Ein häufig zitiertes Beispiel war dabei das Wirbeltierauge. Ein Autorenteam erläutert anhand dieses faszinierenden Sinnesorgans Pro und Contra „Intelligent Design“ und deckt die Oberflächlichkeit vieler Argumente auf, mit denen die Schlußfolgerung auf das Wirken eines Urhebers widerlegt werden soll.

Design-Argumente kann man aber auch in der Chemie formulieren. Das zeigt Peter IMMING in einer Diskussion zur Entstehung der Homochiralität. Gemeint ist damit die Tatsache, daß sehr viele für Leben unverzichtbare Moleküle in den Lebewesen nur in einer von zwei möglichen spiegelbildlichen Formen vorkommen bzw. brauchbar sind. Die verschiedenen Erklärungshypothesen werden im Detail diskutiert. Der Autor stellt fest, daß das Phänomen der Homochiralität sofort verständlich wird, wenn wir nicht auf der Basis unseres Nicht-Wissens, sondern unseres Wissens an die Fragestellung herangehen: Wir wissen, daß durch kreative, gezielte Versuchsplanung und -durchführung Homochiralität erzeugt werden kann. Was bedeutet dies für die erstmalige Entstehung des Lebens?

Wissenschaft ist freilich vorläufig. Was heute nicht (auf eine bestimmte Weise) erklärt werden kann, wird vielleicht der Zukunft vorbehalten. Die Vorläufigkeit der Wissenschaft hat aber auch eine andere Seite: Was heute als gesichert gilt, kann morgen durch neue Befunde in Frage gestellt oder gar überholt sein. Dies wird in einigen Beiträgen dieser Ausgabe erkennbar. So zeigt eine Studie von drei Wissenschaftlern, daß es längst nicht gesichert ist, daß es tatsächlich Dinosaurier mit Federn gab. Ein weiteres Beispiel: Das berühmte Ichthyostega, welches lange Zeit als das Bindeglied zwischen Fischen und Amphibien galt, erweist sich immer mehr als viel zu spezialisiert für diese Deutung. Und schließlich mehren sich die Einwände gegen einen Hominidenstatus der Australopithecinen (Deutung als Vorläufer des Menschen). Michael BRANDT zeigt anhand neuer Forschungen, daß ein menschlicher oder nahezu menschlicher Gang auf zwei Beinen bei Australopithecus heute als widerlegt gelten kann und daß diese Gattung kein gutes Bindeglied zwischen vermuteten schimpansenähnlichen Vorfahren und den Menschen ist.

Diese und viele weitere Beiträge zur aktuellen Forschung versprechen eine spannende Lektüre.

Ihre Redaktion Studium Integrale journal


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