Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 19. Jg. Heft 1 - Mai 2012
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22. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2015

Titelbild: Ein Südlicher Stechrochen (Dasyatis americana) schwimmt über eine flache Sandbank (North Sound, Grand Cayman, Karibik). Er gehört neben vielen anderen schwimmenden Tieren zu den gemächlicheren Schwimmern, die sich elegant durch wellenförmige Bewegungen eines durchgehenden Flossensaumes fortbewegen; eine Fähigkeit, die mehrfach konvergent auftritt (s. S. 104ff.; Foto: Alex Mustard, © naturepl.com)



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Themen

M. Kotulla
Geologie und Genesis Ursprung und Popularisierung früher Harmonisierungsversuche (PDF-Version)
Ergänzung zum Textteil: Geologie und Genesis: Ursprung und Popularisierung früher Harmonisierungsversuche (PDF)
J. van Dam
Enthält der genetische Code Hinweise auf Design?
H. Binder
Der Mensch und sein Genom. IV. Epigenetik

Kurzbeiträge

M. Brandt
Nutzten „Vormenschen“ ihre Hand wie moderne Menschen?
M. Noe
Schockierende Organe
R. Junker
Yi qi – „merkwürdiger Flügel“ eines (Dino-?)sauriers
H.-B. Braun
Die perfekte Welle
D. Vedder
Komplexität durch Koevolution – im Computer
M. Kotulla
War der Messelsee ein Kurzzeitsee? (PDF-Version)
J. Herkert
Herkunft von RNA, Proteinen und Fettsäuren aufgeklärt?

Streiflichter

Ist das Alphabet der Aminosäuren perfekt?
Der älteste „echte“ Vogel: überraschend modern
Buntes Merkmalsmosaik: Ein „Schnabeltier“ unter den Raubdinosauriern
Neue erstaunliche Entdeckungen bei Ameisen
Spinnen mobil in ungewohntem Terrain
Nützliche Viren
Hallucigenia steht Kopf – im doppelten Sinne
Collinsium – weiterer Zuwachs für die „kambrische Explosion“
Neue Einschätzung der Einwohnerzahl Europas während der letzten Eiszeit zu hoch?
Überraschend dynamisches Leben in eisiger Kälte
Fossile karibische Anolis-Eidechsen – stabile ökologische Formen über lange Zeit

Kommentar

R. Junker
Unmöglichkeitsbeweise?

Editorial

Eines der Grundanliegen der Autoren von STUDIUM INTEGRALE JOURNAL ist es, naturwissenschaftliche Daten auch daraufhin zu befragen, ob sie auch – und das ggf. besser – im Schöpfungsparadigma gedeutet werden können. „Schöpfung“ ist dabei zunächst grundsätzlich im Sinne einer geistigen Verursachung gemeint, ohne sich auf ein bestimmtes Schöpfungsverständnis festzulegen (was in einem weiteren Schritt erfolgen kann). Es gibt funda­mentale Unterschiede zwischen geistigen und geistlosen Ursachen und den daraus resultierenden Merkmalen. Ein zentrales Merkmal des Geistigen ist das Phänomen der Intentionalität. Gemeint ist damit, dass ein geistiges Subjekt (ein Konstrukteur, Künstler oder Schöpfer) sich Sachverhalte geistig vergegenwärtigen kann, zum Beispiel sich Ziele setzen und einzelne Schritte auf ein Ziel hin planen kann. Nicht-geistige Ursachen können das nicht. Entsprechend unterschiedlich sind nach allen unseren Erfahrungen die Produkte geistiger Tätigkeit einerseits und die Ergebnisse rein natürlicher, geistloser Prozesse andererseits. In der Regel haben wir daher keine Mühe, anhand typischer Design-Indizien auf die vergangene Tätigkeit eines Designers zu schließen. Dabei gibt es ein striktes Entweder – Oder: Entweder liegt eine geistige Verursachung eines Sachverhalts vor (ggf. im Zusammenwirken mit nicht-geistigen Ursachen) oder dieser ist alleine aufgrund nichtgeistiger Prozesse entstanden.

Der heutige wissenschaftliche Mainstream fragt allerdings nur nach nicht-geistiger oder „natürlicher“ Verursachung, auch in Fragen der ursprünglichen Entstehung von Naturgegenständen und -phänomenen, etwa in der Frage der Entstehung des Lebens oder des Menschen und seiner spezifischen Fähigkeiten. „Ergebnisoffenheit“ gibt es hier meist nur im Rahmen des naturalistischen Paradigmas. Der Preis dafür ist unter anderem, dass die Suche nach der zutreffenden Erklärung aufgegeben wird zugunsten der besten Erklärung im Rahmen des Naturalismus. Grundsätzliche Probleme oder grundsätzliche Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnis gibt es dann nicht, nur – per definitionem – vorläufig noch offene Fragen, und zwar unabhängig von der Befundlage. Eine Konsequenz dieser Konvention, sich auf den Naturalismus festzulegen, ist eine einseitige Verschiebung der Beweislast. Wer es anders sieht, soll nicht nur zeigen, dass bestimmte Erklärungen im Rahmen des Naturalismus falsch sind, sondern sogar, dass es keine naturalistische Erklärung geben kann – ein Unmöglichkeitsbeweis. Dieser hohe Anspruch ist kaum erfüllbar; in Wirklichkeit handelt es sich dabei jedoch um eine Immunisierungsstrategie, indem man auf hypothetische, de facto nicht existierende Erklärungen verweist. Schon Darwin hat sich dieser Beweislastverschiebung bedient: „Wenn gezeigt werden könnte, dass irgendein komplexes Organ existiert, das nicht durch zahlreiche, aufeinanderfolgende, geringfügige Veränderungen gebildet worden sein kann, würde meine Theorie absolut zusammenbrechen“ (On the Origin of Species, 6. Aufl., Kap. 6, S. 146; Hervorhebung hinzugefügt). Lesen Sie dazu mehr im kurzen Kommentar von Reinhard Junker auf Seite 117. Er nimmt Bezug auf einen Artikel von Michelle Noe über elektrische Organe (S. 97f.) und deren mutmaßlich mehrfache unabhängige Entstehung (Konvergenz). Um das Phänomen der Konvergenz geht es auch im Beitrag von Hans-Bertram Braun über die „perfekte Welle“ und in einigen Streiflichtern.

Das konvergente Auftreten komplexer Bauelemente ist ein typisches Design-Kennzeichen aus dem eingangs genannten Grund: Ein Designer kann gedanklich Dinge vorwegnehmen – die Mehrfachumsetzung von Ideen oder Plänen und damit die Wiederverwendung von Bauteilen ist dafür ein Paradebeispiel, das wir auch aus unserer eigenen schöpferischen Tätigkeit kennen. Daher gibt es beim Auftreten von Konvergenzen Grund genug, die Option „Schöpfung“ in Betracht zu ziehen, zumal sich mehr und mehr zeigt, dass Konvergenzen selbst von sehr komplexen Merkmalen sehr häufig sind – gegen frühere evolutionstheoretische Prognosen. Sachgemäß für wissenschaftliches Arbeiten ist ein Vergleich von Erklärungen, bei dem jede vorgeschlagene Option ihre stützenden und widersprechenden Argumente präsentieren muss.

Da es sich bei geistigen oder nicht-geistigen Ursachen um sich ausschließende Alternativen handelt (s.o.), ist es gerechtfertigt, Hinweise auf einen Schöpfer auch da zu sehen, wo Erklärungen durch natürliche (nicht-geistige) Ursachen systematisch versagen. Johannes Herkert zeigt dieses Versagen an einem Beispiel aus dem Bereich der Lebensentstehung auf. Juri van Dam erläutert ein interessantes Design-Indiz anhand des genetischen Codes. Dass dieser in funktionaler Hinsicht optimiert erscheint (auch ein klarer Hinweis auf einen Schöpfer), ist schon länger bekannt, aber es gibt auch darüber hinaus gehende und von der Funktionalität unabhängige Hinweise auf Planung. Auch beim Studium der epigenetischen Regulationsprozesse in Organismen drängt sich angesichts der hierarchischen und vernetzten Informationssysteme der Gedanke an Planung auf und zwar umso mehr, je mehr man weiß. Harald Binder erläutert dazu neue Befunde aus dem Bereich der Epigenetik beim Menschen.

Interessante Neuigkeiten gibt es auch aus der Paläontologie. In mehreren Beiträgen dieser Ausgabe werden neue Fossilfunde vorgestellt. Als roter Faden zieht sich durch: Immer wieder zeigen sich überraschende Merkmalskombinationen. Lassen Sie sich durch die Lektüre ebenso überraschen!

Ihre Redaktion STUDIUM INTEGRALE JOURNAL



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