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30. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2023
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Titelbild: Tintenfische mit ihrem speziellen Aussehen und besonderen Verhalten wecken immer wieder das Interesse von Forschern. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass auch das Erbgut viele Besonderheiten aufweist. (Маргарита Грановская, Adobe Stock) |
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Themen
- R. Junker
- Neumundtiere „sprechen“ gegen Evolution. Über den Ursprung der Deuterostomier
- M. Brandt & B. Scholl
- Besaß Australopithecus einen menschlichen aufrechten Gang?
- S. Stripling, A. Leavitt & P. van der Veen
- Ein Überraschungsfund vom Berg Ebal: „Sei verflucht durch El-Jahu!“
- B. Schmidtgall
- Evolution oder Devolution? Wohin „geht“ die Entwicklung der Arten?
Kurzbeiträge
- B. Scholl
- Schwarz- und Weißstorch-Paar zieht Junge in freier Wildbahn auf
- R. Junker
- Das Monster, das in kein Schema passt
- H. Binder
- Tintenfische – erstaunliche Tiere mit auffälligem Genom
- R. Junker
- Mosaik an der Basis der Tiere: Ist das Nervensystem zweimal entstanden?
- A. Ehrmann
- Zusätzliche Super-Erde würde Sonnensystem instabil machen
- P. Borger
- „Parasitäre DNA“ stabilisiert Multigen-Familien
Streiflichter
- Zahnvogel Janavis mit überraschendem Merkmalsmosaik
- Geologisch älteste Fledermaus mit „modernem“ Aussehen
- Mammuts: Degenerierte Elefanten?
- Hakenblatt: Fleischfresser „on demand“
- Flügelmuster bei Schmetterlingen: sehr „alte“ genetische Module
- Kapitalistische Kapuzineraffen?
- Wirbeln Langschwanzmakaken die Steinwerkzeug-Geschichte durcheinander
- JUICE auf dem Weg zu den Eismonden des Jupiters
- Zwischen Quantenmechanik und klassischer Physik
- Harnstoff und der Ursprung des Lebens
Rezension
- R. Junker
- The Compatibility of Evolution and Design (E. V. Rope Kojonen)
Editorial
„I think“ (ich denke) steht über der wohl berühmtesten Stammbaum-Skizze der Welt geschrieben. Eigentlich war es nur eine kleine Kritzelei, die der junge Charles Darwin im Jahr 1836 anfertigte. Darwin war erst wenige Monate zuvor von seiner zweijährigen Forschungsreise um die Welt zurückgekehrt und notierte nun seine ersten Gedanken über den Ursprung der Arten im First Notebook on Transmutation of Species. Darwin visualisierte mit seiner Skizze die Vorstellung, dass verschiedene Gruppen von Lebewesen (A bis D) über Verästelungen (die in der Regel ausgestorbene Arten repräsentieren) auf einen gemeinsamen Ursprung (1) zurückgeführt werden könnten.
Nach der Veröffentlichung von Darwins Werk On the Origin of Species im Jahr 1859 wurde die Idee des gemeinsamen Stammbaumes der Lebewesen auf der ganzen Welt propagiert und eroberte die Universitäten. Nun hatte Darwin den schöpfungskritischen Gelehrten seiner Zeit eine Theorie geliefert, die mit naturwissenschaftlichem Anspruch die Herkunft der Lebewesen ohne einen Schöpfergott erklären sollte. Auch wenn Darwins konkrete Ideen, wie Evolution funktionieren soll, selbst bei den eigenen Anhängern auf viel Kritik stießen, akzeptierte dennoch die große Mehrheit die Vorstellung vom Stammbaum des Lebens.
An der Akzeptanz eines Stammbaums des Lebens hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn man mittlerweile mit phylogenetischen Analysen bzw. Cladogrammen anstelle von Stammbäumen arbeitet. Der wesentliche Unterschied ist hierbei, dass heute lebende Gruppen von Lebewesen nicht als die Vorfahren anderer heutiger Gruppen betrachtet werden, sondern als Nachfahren unbekannter gemeinsamer Vorfahren. Die Aufzweigungen in heutigen Cladogrammen basieren darüber hinaus auf statistisch ausgewerteten, abgeleiteten gemeinsamen Merkmalen (Synapomorphien) statt auf einem subjektiven Eindruck („I think“).
Die große Frage ist allerdings, ob die empirischen Indizien wirklich für einen gemeinsamen Stammbaum aller Lebewesen sprechen. Leider wird diese Frage in der heute stark atheistisch geprägten Wissenschaftswelt gar nicht mehr diskutiert. Es wird einfach als unangreifbares Dogma vorausgesetzt. Tatsächlich weisen aber immer mehr Befunde in eine ganz andere Richtung: Es ist eben nicht möglich, die Lebewesen in einen gemeinsamen Stammbaum einzuordnen, im welchem die abgeleiteten gemeinsamen Merkmale eindeutige Verästelungsmuster zwischen den Arten ergeben. Das betrifft sowohl Morphologie (den Körperbau) und Verhalten als auch molekulargenetische Analysen. Ein besonders eindrückliches Beispiel über die Störche beschreibt Benjamin Scholl. Weder innerhalb dieser Vögel, die wahrscheinlich einen erschaffenen Grundtyp mit Kreuzungen zwischen den Arten bilden, noch in Bezug auf andere Vogelgruppen ist ein eindeutiger Stammbaum in Sicht. Stattdessen weisen verschiedene Merkmale auf ganz unterschiedliche Verwandtschaftsbeziehungen hin. Noch verworrener ist es bei den sogenannten Deuterostomiern (Neumundtieren), zu denen auch wir Menschen gezählt werden. Reinhard Junker schildert die Situation der vielfach widersprüchlichen Verwandtschaftsbeziehungen anhand einer aktuellen Überblicksarbeit. Es ergibt sich ein komplexes Netzwerk von gemeinsam geteilten Merkmalen zwischen den verschiedensten Gruppen von Tieren – statt einem Stammbaum. Dasselbe Phänomen zeigt sich bei der Frage nach dem Ursprung des Nervensystems, wie neueste Untersuchungen zeigen, ebenso beim neu entdeckten ausgestorbenen Vogel Janavis und sehr ausgeprägt beim merkwürdigen Tully-Monster, worüber ebenfalls in dieser Ausgabe von Studium Integrale Journal berichtet wird. Evolutionstheoretisch ist es aufgrund dieser Situation unvermeidbar, Konvergenzen in einem früher ungeahnten Ausmaß annehmen zu müssen – was früheren Erwartungen klar widerspricht, da die unabhängige Entstehung (Konvergenz) komplexer Merkmale von einem Prozess nicht zu erwarten ist, der keinerlei Zielorientierung beinhaltet.
Während Rekonstruktionen des einen Stammbaums aller Lebewesen mit fortschreitender Forschung zunehmend mit erheblichen Widersprüchen zu kämpfen haben, können ausgeprägte Merkmals-Netzwerke viel sparsamer als Hinweis auf einen genialen Schöpfer gedeutet werden. Ein intelligenter Schöpfer kann die Merkmale bei der Erschaffung unterschiedlicher Grundtypen frei zuteilen – wie in einem Baukastensystem. Diese Grundtypen konnten sich dann an unterschiedliche Lebensbedingungen anpassen. Daher liegt es aus Schöpfungsperspektive nahe, zu erwarten, dass man beim Ordnen und Sortieren der Merkmale von Lebewesen verschiedener Grundtypen netzartige Beziehungen findet. Denn während Evolution an einen Mechanismus gebunden ist, der bei Vielzellern Konvergenzen und damit Vernetzung von Ähnlichkeitsbeziehungen nicht erwarten lässt, ist ein Schöpfer in seinem Handeln frei.
Bei diesen und vielen weiteren spannenden Themen wünschen wir Ihnen eine anregende Lektüre,
Ihre Redaktion STUDIUM INTEGRALE JOURNAL
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