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28. Jahrgang / Heft 2 - September 2021
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Kurzbeiträge
Streiflichter
EditorialIn den letzten Jahrzehnten hat die Forschung nach dem Ursprung der Vögel einen enormen Aufschwung erfahren, vor allem weil ungewöhnlich viele Fossilfunde von „alten“ Vögeln aus den geologischen Formationen der Kreide und des Jura gemacht wurden. War vor etwa 30 Jahren der berühmte „Urvogel“ Archaeopteryx aus dem Oberjura relativ allein auf weiter Flur, haben sich inzwischen zahlreiche Vogelgattungen aus Oberjura und Unterkreide hinzugesellt. Dazu kommt mittlerweile weit über ein Dutzend Gattungen mit haarartiger oder federartiger Körperbedeckung, die zur Dinosaurier-Gruppe der Theropoden mit zweibeiniger Fortbewegung gestellt werden. Damit scheint der Beweis erbracht zu sein, dass Vögel von Dinosauriern abstammen. Vögel gelten heute in der Fachwelt als „lebende Dinosaurier“. Bereits im Jahr 1998 titelte Henry Gee in der Wissenschaftszeitschrift Nature: „Birds and dinosaurs – the debate is over.“ Der Deutungsrahmen ist in der Fachwelt praktisch fix. Vor diesem Hintergrund ist erstaunlich, dass sich die Situation bei genauerem Hinsehen deutlich komplizierter und widersprüchlicher darstellt und vieles nicht in das vermeintlich klare Bild passt, wie R. Junker in einigen Beiträgen berichtet. So zeigt ein aktuelles Cladogramm (Verzweigungsschema) von Vogelgattungen aus der geologischen Periode der Kreide, dass ein Großteil der Fossilformen in einem relativ engen Zeitfenster erstmals (oder überhaupt) überliefert ist. Tatsächlich erscheint also eine große Formenvielfalt in der Fossilüberlieferung fast zeitgleich. Damit aber nicht genug: Fast alle unter den ältesten in der Unterkreide fossil überlieferten Formen besitzen Merkmale, die sie als „abgeleitet“ („höherentwickelt“) kennzeichnen. Sie stehen – einfach ausgedrückt – nicht an der Basis des Cladogramms, sondern relativ weit oben, wo man sie in evolutionstheoretischer Sicht gerade nicht erwarten würde. Der Gesamtbefund der in der Kreide überlieferten Vögel widerspricht somit deutlich evolutionstheoretischen Voraussagen. Unerwartet ist auch die mosaikartige Merkmalsverteilung bei flugfähigen Formen. Dass die Flugfähigkeit mithilfe von Federn evolutiv mehrfach entstanden sein könnte, hätte bis vor kurzem vermutlich niemand erwartet. Aber genau das wird durch die Befundlage heute erzwungen – womit wiederum eine evolutionstheoretische Erwartung widerlegt ist. Man sollte darüber hinaus erwarten, dass mit zunehmender Kenntnis der Formenvielfalt sich evolutionäre Abfolgen zunehmend klarer abzeichnen. Das ist bei den Formengruppen, die zu den Vögeln überleiten sollen und als „Paraves“ zusammengefasst werden, ebenfalls nicht der Fall. In einer aktuellen Übersichtsarbeit über diese Gruppe stellen die Autoren fest, dass ein Konsens über die phylogenetischen Beziehungen der Paraves längst nicht erreicht ist. Der evolutionäre Übergang zu den Vögeln sei durch die mosaikartige Verteilung anatomischer Merkmale im Theropoden-Stammbaum weitgehend verdeckt. Eine klare Abfolge von evolutionären Neuerungen sei nicht nachweisbar. Die Natur der frühen Auffächerung, die unter den Paraves zu den Vögeln geführt haben soll, sei „völlig ungewiss“, ebenso wie ihr Ursprungszentrum und ihre Ausbreitungswege. Kann man dennoch davon sprechen, dass die Abstammung der Vögel von Dinosauriern im Wesentlichen geklärt sei? Das Aufstellen von Stammbäumen erweist sich auch an der Basis des Lebens, unter den einzelligen Formen, als schwierig. B. Schmidtgall informiert über kürzlich veröffentlichte Arbeiten zu der Suche nach dem letzten gemeinsamen Vorfahren aller Bakterien. Die immense Vielfalt und die Flickenteppich-artige Verteilung der Merkmale der Mikroorganismen lassen sich nur mit fragwürdigen Zusatzannahmen in ein evolutionstheoretisches Konzept fügen. Es wird deutlich, dass die Ergebnisse viel mehr von den gewählten Grundannahmen abhängen als von den vorhandenen Rohdaten. Ein oft genutztes evolutionstheoretisches Argument sind Ähnlichkeiten verschiedener Arten oder größerer Gruppen. Bekannt ist das Ähnlichkeitsargument auf der Ebene der Gestalt verschiedener Organismen. In den letzten Jahrzehnten kamen in großem Umfang molekulare Ähnlichkeiten hinzu. Aber auch Verhaltensähnlichkeiten werden schon seit Langem genutzt, um Abstammungsverhältnisse zu ermitteln. Nun zeigt eine aktuelle Studie, dass Verhaltensähnlichkeiten nichts mit Evolution zu tun haben müssen, sondern durch Umweltfaktoren geprägt sein können. Darüber berichtet B. Scholl und kommt zum Schluss, dass deshalb Verhaltensähnlichkeiten kein gutes Evolutionsargument sind. „Ganz oder gar nicht“ – das zeigt sich immer wieder beim Studium der Lebewesen. In Beiträgen zur einfachsten bekannten Zelle, zur Photosynthese oder zu den ausgefeilten Flugkünsten der Libellen zeigt sich durchgehend, wie schwierig es ist, plausible Evolutionsstadien zu finden, die zwar funktionell noch nicht vollständig sind, aber dennoch einen Überlebensvorteil bieten sollen. Diese und weitere spannende Themen erwarten Sie in dieser Ausgabe. Ihre Redaktion STUDIUM INTEGRALE JOURNAL Ganzes Heft im PDF-Format ... download | ![]() |
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