Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 10. Jg. Heft 1 - April 2003
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10. Jahrgang / Heft 1 - April 2003

Themen

• R. Junker
Baum, Baukasten, Netzwerk. Ist die evolutionäre Systematik zirkelschlüssig?
• M. Stephan
Zur Bildungsdauer des Nusplinger Plattenkalks.
Teil 3: Mikroevolution der Ammoniten, Massenvermehrungen von Kalkbildnern und Gesamtresultat
• Herzog/Heppner
Schnelle Erdölbildung durch hydrothermale Prozesse - Naturnahe Modellierung der Hydro-Pyrolyse und Beispiele aus der Lagerstättenkunde

Kurzbeiträge

• O. Beck
Noch immer im Dunkeln: Die Dunkle Materie
• R. Junker
Primitiv oder fortschrittlich?
Neue Befunde an fossilen Schildkröten stellen bisherige Vorstellungen auf den Kopf
• H. Kutzelnigg
Neues zur Systematik und Evolution der Kernobstgewächse (Rosaceae: Maloideae)
• J. Fehrer
„Evo-Devo“: Bisher keine Lösung für Makroevolution.
Neuer Trend in Richtung mikroevolutive Forschung
• A. Weller
Merkmalsmosaike bei Wasservögeln.
Morphologische und molekulare Ähnlichkeiten passen nicht immer zusammen
• U. Zerbst
Der Tod des Tyrannen

Streiflichter

•  Wie explosiv ist die „kambrische Explosion“?
•  Flechten-Symbiose: mehrfache Entstehung und mehrfacher Verlust
•  Nektarsaugende Spinnen
•  Verwesungsgeruch als Attraktion
•  Faszination der Pflanzengallen
•  Der universelle Code – nahezu
•  Dem Schalenbau von Kieselalgen auf der Spur
•  Diskrepanz zwischen Radiokarbondaten und historischen Altern bekräftigt
•  Archäologische Spuren des ersten Tempels auf dem Berg Garazim?
•  Was, wenn die Fälschung doch keine Fälschung war?

Rezension

• H. Ullrich
Embryologie und Teratologie des Menschen (O'Rahilly & Müller)
Titelbild:
Haubentaucher (Podiceps cristatus). Übereinstimmungen im Körperbau von Wasservögeln spiegeln nicht immer eine Ähnlichkeit der Erbsubstanz wider, wie André WELLER in seinem Beitrag ab Seite 36 darlegt.
(Foto: Richard WISKIN)




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Editorial

Es ist vielleicht der kostbarste Rohstoff der Welt. Sein Besitz kann Macht über Weltmärkte und Krisen oder Machtlosigkeit gegenüber Weltmächten und Kriegen bedeuten. Nach Beginn der industriellen Förderung am 27. August 1859 in Titustown, Pennsylvania aus 23 m Tiefe durch Oberst DRAKE entbrannte eine weltweite Exploration, die bis heute nicht beendet ist. Obwohl immer neue Reserven entdeckt und erschlossen werden, sagen Kalkulationen das immer früher kommende Ende der natürlichen Vorräte voraus. Dennoch wird der Rohstoff Erdöl wird bis auf weiteres fundamentaler Energieträger und Grundstoff bleiben. Längst nutzen Länder, die arm an fossilen Energieträgern oder Devisen zum Einkauf derselben sind, technische Prozesse z.B. zur Verflüssigung von sog. Ölschiefern zur Gewinnung der chemischen Ausgangsstoffe oder zur Energieerzeugung. (Manch einer von der älteren Generation aus dem Süddeutschen Raum kann sich vielleicht selber an das Schürfen und Verheizen von stinkenden, schwarzen Tonschiefern während des 2. Weltkriegs erinnern.)

Der Beitrag von Thomas HERZOG und Ingo HEPPNER resümiert eine Publikation, in der die Möglichkeit bzw. die Rahmenbedingungen einer Erdölbildung in sehr kurzer Zeit beschrieben werden. Aus Laborversuchen ist längst bekannt, daß die Bildung grundsätzlich von thermodynamischen und physikalischen Größen abhängt und daß die Dauer der Prozesse dabei keine wesentliche Rolle spielt. Die Autoren der zitierten Publikation, die selbst in der Erdölgeologie tätig sind, haben nach Beispielen in der Natur gesucht, in denen die Laborbedingungen im realen Maßstab umgesetzt wurden und nutzten die dabei gewonnenen naturnahen Daten für eine mathematische Modellierung des Umfeldes, in dem Erdöl entsteht. Ihr Ergebnis fand in den Fachkreisen große Beachtung und wurde auf vielen bedeutenden Tagungen referiert.

Im dritten und abschließenden Teil über die Bildung der Nusplinger Plattenkalke zeigt Manfred STEPHAN anhand eines Überblicks über die bereits erläuterten Einzelbefunde, daß eine Bildungsdauer dieser Schichten im Laufe weniger Jahrzehnte plausibel erscheint. Damit müßte der für die Bildung bislang veranschlagte Zeitraum von ca. 100.000 Jahren um einen Faktor von über 1.000 gekürzt werden.

Um relativ wenig beachtete Ergebnisse aus Arbeiten über die Taxonomie und Systematik der Lebewesen geht es in einem Beitrag über die evolutionäre Systematik. Nach dem Durchbruch des Evolutionsgedankens war (und ist nach wie vor) zu erwarten, daß sich die Vielfalt der Lebewesen in Baumschemata bringen lassen, welche die Abstammungsverhältnisse widerspiegeln sollten. Dies gelingt in vielen Fällen recht gut; es gibt aber auch zahlreiche Beispiele von ausgeprägt netzartigen Beziehungen zwischen Angehörigen bestimmter Tier- und Pflanzengruppen (Auftreten zahlreicher Konvergenzen). Diese Situation stellt die Evolutionslehre vor erhebliche Probleme. Reinhard JUNKER gibt dazu einen Einblick, diskutiert Lösungsvorschläge und gelangt zu einigen provozierenden Schlußfolgerungen.

Weitere evolutionstheoretische Fragestellungen werden in vier Kurzbeiträgen behandelt. Die Konvergenz-Problematik ist auch ein Thema des Beitrags von André WELLER über Wasservögel. Morphologisch und molekular begründete Verwandtschaftsverhältnisse stimmen nicht immer überein. Reinhard JUNKER zeichnet an einem aktuellen Beispiel bei Schildkröten nach, wie aus einem abgeleiteten (evolutionär „fortschrittlichen“) Merkmal ein ursprüngliches („primitives“) werden kann. Daran wird beispielhaft deutlich, daß die evolutionstheoretische Wertung von Merkmalen kaum definitiv festgelegt werden kann. Herfried KUTZELNIGG schildert aktuelle Entwicklungen in der Systematik der Kernobstgewächse, und Judith FEHRER berichtet über neue Tendenzen in der sog. „Evo-Devo“-Forschung. Dieser Forschungszweig versucht, durch Erkenntnisse über die individuelle Entwicklung (Ontogenese) Einsichten über Makroevolution zu gewinnen. Bislang sind hier jedoch keine nennenswerten Fortschritte erzielt worden; vielmehr verschiebt sich die Forschung neuerdings mehr in den mikroevolutiven Bereich.

Noch immer weitgehend im Dunkeln bleibt die sog. „Dunkle Materie“, deren Existenz postuliert wird, um verschiedene Theorien in der Astrophysik und die mit ihnen verbundenen Zeitvorstellungen aufrechterhalten zu können. Oliver BECK gibt einen Überblick über die jüngsten Versuche, die Dunkle Materie in der Milchstraße „dingfest“ zu machen, wo am ehesten ein direkter Nachweis möglich wäre; doch die Ausbeute ist nach wie vor mager.

Eine dennoch erhellende Lektüre wünscht Ihnen

Ihre Redaktion Studium Integrale journal


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