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EditorialSchon mehrmals haben sich Autoren von Studium Integrale journal mit einem populärsten Argumente für Evolution beschäftigt, dem Homologie-Argument. Es besagt, daß bestimmte Merkmalsübereinstimmungen unter den Lebewesen als Indizien für Makroevolution zu deuten sind. Homologien (genauer: Synapomorphien) werden weiter als Wegweiser für den Verlauf der Stammesgeschichte benutzt. Die empirische Basis für das Homologie-Argument bröckelt jedoch schon seit langem; wir schildern in dieser Ausgabe dazu weitere Befunde. Das Paradebeispiel sind zweifellos die Gliedmaßen der Landwirbeltiere. Dessen Bauplan erschien einheitlicher zu sein, als es die Funktionen erfordern, die damit ausgeübt werden können (Laufen, Fliegen, Graben usw.). Anders gesagt: Das Extremitätengerüst scheint mehr Ähnlichkeiten aufzuweisen als funktionell erforderlich. Dieses „Mehr“ an Ähnlichkeit wird evolutionstheoretisch auf gemeinsame Abstammung zurückgeführt. Nur wenige Biologen äußern Zweifel und sind der Auffassung, daß der gemeinsame Bauplan allein funktionell begründbar sei, womit das entscheidende evolutionstheoretische Argument jedoch verloren geht. Diese kritische Auffassung erhielt nun eine überraschende Unterstützung durch Untersuchungen der Kraken-Arme. Studien ihrer Bewegungen zeigten, daß die Kraken ihre Greifarme teilweise versteifen, wenn sie ein Stück Beute ins Maul stopfen und dabei den jeweiligen Arm ganz ähnlich wie der Mensch benutzen: Nur drei Stellen bleiben gelenkig und beweglich, vergleichbar dem Handgelenk, dem Ellenbogen und dem Schultergelenk. Für die Forscher zeigt sich damit, daß diese Unterteilung von Gliedmaßen die optimale Lösung für das Heranholen von Objekten ist. Eine weitere Schwächung des Homologiearguments bedeutet das Auftreten von Konvergenz: Baugleiche Merkmale sind so unter den Lebewesen verteilt, daß man nicht umhin kommt, eine mehrmalige unabhängige Entstehung anzunehmen. Damit aber kann die Baugleichheit nicht als Beleg für gemeinsame Abstammung gelten. Das Problem ist lange bekannt, und es gibt Verfahren, damit in phylogenetischen Rekonstruktionen umzugehen. Doch die Situation wird zunehmend kritischer für evolutionstheoretische Deutungen, denn immer wieder werden auch bei Komplexmerkmalen Konvergenzen entdeckt. Ein Beispiel aus der neuesten Forschung liefert der Palmendieb, eine eigenartige Krabbe, die ausschließlich auf dem Land lebt. Diese Krabbe besitzt ein komplexes Geruchssystem, das dem von Insekten in vielerlei Hinsicht verblüffend ähnlich ist. Evolutionstheoretisch muß aber eine unabhängige Entstehung angenommen werden. Eine tiefgreifende Ähnlichkeit ist damit doch kein Beleg für gemeinsame Abstammung. Diese Situation ist auch häufig innerhalb von Grundtypen anzutreffen. Anita GÜNTHER schildert ein Beispiel beim Nachtschatten. Hier besteht aber die Möglichkeit, das konvergente Auftreten von Merkmalen auf einen polyvalenten Grundtyp als Stammform zurückzuführen, deren Merkmalsrepertoire unter den zum Grundtyp gehörenden Arten unsystematisch verteilt ist. In diese Richtung deuten auch Studien an Stichlingen, aus denen hervorgeht, daß nur wenige Veränderungen an einigen bestimmten Stellen im Erbgut im Erbgut der Fische genügen, um größere Veränderungen im Aussehen zu verursachen; Niko WINKLER berichtet darüber. Die Untersuchungen weisen darauf hin, daß es ein fein abgestimmtes Netz von genetischen Programmen gibt, die durch einige wenige „Schaltergene“ gesteuert werden. Dies alles deutet auf Programmierung hin, aber wer ist der Progammierer? Diese Frage stellt sich auch angesichts einer Beobachtung, über die ebenfalls Niko WINKLER berichtet: Die Eigenschaften biologischer Netzwerke gleichen verblüffend solchen Netzwerken, die durch Ingenieure erdacht wurden, z. B. in ihrem modularen Aufbau. Dies ermöglicht den Lebewesen eine Flexibilität, um sich neuen äußeren Bedingungen anzupassen. Es wirkt so, als sei hier vorausgedacht worden. Die Untersuchungen geben andererseits keine Hinweise auf Mechanismen einer Makroevolution. Das gilt auch für eine vielbeachtete Computersimulation zur „Evoluion virtueller Lebewesen“, die Eberhard BERTSCH und Torsten WALDMINGHAUS kritisch analysieren. Spannende Entdeckungen sind aus der Paläanthropologie zu vermelden. Der „Hobbit-Mensch“ von der Insel Flores/Indonesien war in den letzten Monaten selbst in der Tagespresse ein Thema. Seine ungewöhnliche Merkmalskombination und vor allem sein geradezu winziges Gehirn werfen eine Reihe von Fragen sowohl für die Evolutions- als auch für die Grundtypenbiologie auf, denen sich Sigrid HARTWIG-SCHERER widmet. Für eine abwechslungs- und aufschlußreiche Lektüre ist also gesorgt. Ihre Redaktion Studium Integrale journal |
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