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Reinhard Junker

Spuren Gottes in der Schöpfung?

Eine kritische Analyse von Design-Argumenten in der Biologie

Aus dem Vorwort

Die öffentliche Auseinandersetzung um die Ursprungsfrage in der Biologie wird seit einigen Jahren in der Öffentlichkeit ungewöhnlich heftig geführt. Die Frage, ob die Welt erschaffen wurde, oder ob sie durch ungelenkte Prozesse evolutionär entstanden ist, erlangte in den Medien auch im deutschsprachigen Raum eine ungeahnte Aktualität. Das neue Reizwort heißt „Intelligent Design“ (ID) – für viele Wissenschaftler ein rotes Tuch. Die Süddeutsche Zeitung (die auflagenstärkste deutsche Tageszeitung) befasste sich mit dem „Streitfall Evolution“ im Juni und Juli 2005 in einer längeren Artikelserie. Im April 2005 hatte die renommierte Wissenschaftszeitschrift Nature „Intelligent Design“ sogar als Titelthema. Am 7. Juli 2005 publizierte die New York Times einen kurzen Artikel des Wiener Kardinals Christoph Schönborn mit dem Titel „Finding Design in Nature“. Darin schreibt er (in Übersetzung): „Evolution im Sinne einer gemeinsamen Abstammung kann wahr sein, aber Evolution im neodarwinistischen Sinne – als ungeleiteter, ungeplanter Prozess zufälliger Variation und natürlicher Selektion – ist es nicht. Jedes Gedankengebäude, welches die überwältigenden Hinweise für Design in der Biologie leugnet und wegzuerklären versucht, ist Ideologie und keine Wissenschaft.“

Diese Sätze provozierten einen heftigen Aufschrei in der Presse und im Rundfunk weltweit. Die Reaktionen reichten von Unverständnis bis zu schweren Beleidigungen. Beispielsweise brachte die Frankfurter Allgemeine Zeitung innerhalb von zwei Wochen vier Artikel anlässlich der Äußerung des Wiener Kardinals. Man beachte: Schönborn hatte die Stammesgeschichte gar nicht in Frage gestellt, sondern nur bestritten, dass Evolution ungeplant und ungelenkt ihre Produkte hervorgebracht habe. Doch bereits dieser Einspruch ist für Presseleute und viele Zeitgenossen in der wissenschaftlichen Welt offenbar nicht akzeptabel. Die Heftigkeit und die Häufigkeit der Reaktionen und die damit verbundenen persönlichen Angriffe zeigten, dass ein sensibler Punkt getroffen worden war.

Doch welcher Nerv wurde getroffen? In den Medien werden „Intelligent Design“ und „Kreationismus“ häufig als Gefahr für die Wissenschaft dargestellt. Von Wissenschaftsfeindlichkeit ist die Rede. Da unsere Gesellschaft von der Wissenschaft geprägt ist und viele ihrer Errungenschaften durch Wissenschaft gewonnen wurden, bedeute Wissenschaftsfeindlichkeit eine Gefahr für die Gesellschaft, so der Tenor vieler Kommentare. Gefahren müssen abgewehrt werden. Und wer gefährlich ist, hat auch in einer pluralis­tischen Gesellschaft keinen Platz.

Oder geht es in Wirklichkeit um etwas ganz anderes? Das Thema „Design in der Natur“ wirft die Frage nach Gottes Realität und Gottes Wirken auf. Hat die Wissenschaft Gott nicht längst begraben, wie John Lennox in einem Buchtitel fragt? Sind Gott und Glaube nicht längst zu Recht auf das rein Private zurückgedrängt worden? Und nun soll Gott in der Wissenschaft einen Platz bekommen? Ist es das, was stört? Oder ist die Mutmaßung berechtigt, fundamentalistische Christen wollten einen gebührenden Platz für Gott nicht nur in der Wissenschaft, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen erkämpfen und letztlich einen Gottesstaat errichten? Ist der Versuch der „Unterwanderung“ von Wissenschaft und Bildung durch „ID“ und Kreationismus ein erster Schritt auf diesem Weg, der unbedingt verhindert werden muss?

Um dieses allzu hoch gehängte Gefahrenpotential soll es in der vorliegenden Publikation nicht gehen, sondern um die naturwissenschaftlichen, wissenschaftstheoretischen und theologischen Fragen rund um das Thema „Design in der Biologie“. ID als gesellschaftliche Bewegung mit politischen Zielen ist zwar ein gewichtiges Thema in den USA; im deutschsprachigen Raum dagegen ist dieser Aspekt nur durch die Medien aufgekommen. Eine lesenswerte Analyse der Mediendebatte über „Intelligent Design“ in Deutschland aus der Sicht eines Soziologen bietet Schmidt (2006). Solche Analysen sind notwendig und wichtig. Aber die Verknüpfung von Wissenschaftsfragen mit einer bildungs- und gesellschaftspolitischen Agenda ist einer sachlichen Auseinandersetzung zur Frage nach den Grenzen der Wissenschaft und nach dem Zusammenhang von Wissenschaft und Schöpfungsglauben nicht zuträglich. Das gilt auch für das Vermischen von Fragen nach der Motivation und den (vermeintlichen) Zielen mit den Sachfragen. „Das Stereotypieren, ad hominem und empörende Appelle sind wirksame rhetorische Instrumente, aber sie alle behindern eine rationale Untersuchung“ (Koperski 2008, 436). Auf diese Weise wurden allzu oft die eigentlichen Sachfragen in den Hintergrund gedrängt. Von dort sollen sie gleichsam hervorgeholt und in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt werden.

Nachdem die Diskussion über Design in der Biologie im deutschsprachigen Raum angekommen ist, soll in diesem Buch der Frage nachgegangen werden, wie dieser Ansatz zu beurteilen ist. Handelt es sich beim Design-Ansatz um Naturwissenschaft? Ist es eine neue Art von Wissenschaft? Handelt es sich um eine vergleichbare Alternative zu Evolutionstheorien? Welchen Zusammenhang hat der Design-Ansatz mit der biblischen Schöpfungslehre? Um diese und ähnliche Fragen soll es in dieser Abhandlung gehen. Dabei wird besonders Bezug genommen auf die Diskussion im deutschsprachigen Raum.

Zunächst werden der Grundgedanke des Design-Ansatzes dargestellt und verschiedene Varianten erläutert. Ein daran anschließender Blick auf die Darstellung von Design-Argumenten in der Öffentlichkeit führt an einige vieldiskutierte Fragen heran. Im dritten Kapitel wird begründet, warum die Frage nach Design und Teleologie in der Biologie eine Existenzberechtigung hat. Wie sich der Design-Ansatz zur Naturwissenschaft und Naturgeschichtsforschung verhält, ist Thema von Kapitel 4. Es folgt eine Analyse der Begründungsweisen für das Wirken eines Schöpfers (Kapitel 5 und 6). Kapitel 7 widmet sich spezifischen Design-Indizien: wie werden Design-Indizien definiert, wie wird ihre Existenz begründet und wie können sie entkräftet oder gestärkt werden? Der Design-Ansatz sieht sich einer Vielzahl von Kritikpunkten gegenüber; diesen widmet sich Kapitel 8. Schließlich sollen auch einige theologische Aspekte behandelt werden (Kapitel 9). Die mit der Design-Thematik verknüpften philosophischen Fragen werden an manchen Stellen angesprochen, aber nicht ausführlich diskutiert. Damit die einzelnen Kapitel besser für sich lesbar sind, habe ich einige Wiederholungen und Überschneidungen im Text belassen. Der umfangreiche Anmerkungsteil enthält Originalzitate und weitere Details und kann als Materialsammlung für eigene Studien dienen.

Inhalt

1. Einführung
1.1 Der Grundgedanke des Design-Ansatzes
1.2 Eine wichtige Unterscheidung
1.3 Zur Geschichte des Design-Arguments
1.4 Theologische Aspekte
1.5 Design, Evolution und Teleologie

2. Wie der Design-Ansatz in der Presse dargestellt wird

3. Warum die Frage nach Design in der Biologie legitim ist
3.1 Allgegenwärtige Teleologie in der Biologie
3.2 Der Forschungsgegenstand bestimmt die Forschungsmethode
3.3 Vergleich mit anderen Wissenschaftszweigen
3.4 Ein Beweis dafür, dass Planung nur ein Schein ist, steht aus
3.5 Evolution und das Design-Argument
3.6 Bionik als „Kind“ des Design-Ansatzes
3.7 Fazit und Eingrenzung des Erklärungsziels

4. Der Design-Ansatz in der Biologie – eine neue Art von Wissenschaft?
4.1 Was ist Naturwissenschaft?
4.2 Designer und Designerspuren
4.3 Wie verhält sich der Design-Ansatz zur Naturwissenschaft?
4.4 Wie- und Woher-Frage
4.5 Erklärungen in der Ursprungsforschung
4.6 Fazit und Schlussfolgerungen

5. Wie wird Design begründet?
5.1 Das negative Argument
5.2 Positive Argumente für Design
5.2.1 Design-Indizien
5.2.2 Design im Labor
5.3 Positiv oder negativ: eine Frage der Perspektive?
5.4 Die Frage der Beweislast
5.5 Fazit

6. Der Analogieschluss
6.1 Darstellung des Analogieschlusses und Kritik
6.2 Einwand: Fortpflanzungs- und Variationsfähigkeit
6.3 Einwand: zu wenig Kenntnisse
6.4 Der Design-Ansatz, William Paley und David Hume
6.5 Schlussfolgerungen

7. Design-Indizien
7.1 Nichtreduzierbare Komplexität
7.2 Spielerische Komplexität
7.3 Potentielle Komplexität
7.4 Detaillierte Komplexität
7.5 Konvergenzen und Modularität
7.6 Redundanzen
7.7 Leichtgläubiger Umgang mit Design-Indizien?
7.8 Design und Mikroevolution
7.9 Schlussfolgerungen
Anhang: Die Design-Matrix nach Mike Gene (2007)

8. Auseinandersetzung mit Kritik am Design-Ansatz
8.1 Bedeutet der Design-Ansatz Erkenntnisverzicht?
8.2 Sind Design-Argumente falsifizierbar?
8.3 Ist das Fehlen eines Mechanismus ein Argument gegen Design?
8.4 Erklärt Design überhaupt etwas?
8.5 Beruht der Schluss auf Design nur auf Nichtwissen?
8.6 Ist spezifisches Design anthropomorph?
8.7 Weitere Einwände
8.8 Fazit

9. Biblisch-theologische Aspekte
9.1 Der Design-Ansatz und Apologetik
9.2 Erstursache und Zweitursachen
9.3 Das angebliche Lückenbüßer-Problem
9.4 Die Kennzeichen von Gottes schöpferischem Wirken
9.5 Design-Fehler
9.6 Der Design-Ansatz, die quinta via und die creatio continua
9.7 Das biblische Schöpfungsverständnis als Voraussetzung für Wissenschaft
9.8 Lenkt der Designer die Evolution?
9.9 Denken Befürworter des Design-Ansatzes zu gering von Gott?
9.10 Fazit

10. Zusammenfassung

Literatur

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SCM Hänssler, 2. Aufl. 2010
Reihe STUDIUM INTEGRALE
Paperback, 16,5 x 24, 172 Seiten, 24 Abbildungen.
 
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