Nach maximal 56 Jahren getrennter Entwicklung (13 Generationen) unterscheiden sich die beiden Populationen morphologisch und genetisch: Strandmännchen haben eine signifikant größere Körpertiefe (Länge vom Rücken zum Bauch), Strandweibchen eine signifikant geringere Körperlänge als Flußmännchen bzw. -weibchen. Flußmännchen sind damit schlanker und können dadurch besser im bewegteren Wasser des Flusses schwimmen. Die Strandmännchen üben aufgrund ihrer Proportionen einen stärkeren Sexappeal auf Weibchen aus. Die längeren Flußweibchen können tiefere Nester für ihre Eier bauen, in denen sie im fließenden Wasser besser geschützt sind (am Strand entfällt diese Notwendigkeit).
Anhand der temperaturabhängigen Zusammensetzung der Otolithen (Kalkkristalle im Gleichgewichtsorgan) kann bestimmt werden, ob die Lachse im temperaturschwankenden Fluß- oder im temperaturstabilen Strandwasser aufgewachsen sind. Es stellte sich heraus, daß erstaunlicherweise etwa 40 % der am Strand gefangenen Lachse im Fluß aufgewachsen waren ("Strandeinwanderer") - sie hatten intermediäre Körperproportionen. Die Median- und Mittelwerte der Körpermaße der Strandmännchen bzw. -weibchen lagen im Extrembereich, aber noch innerhalb der Variationsbreite der Flußpopulation.
An sechs Mikrosatelliten-Genorten wurde die Allelvariation bei Strandlachsen, Flußlachsen und Strandeinwanderern ermittelt, um ihre genetische Verschiedenheit abzuschätzen. Flußlachse und Strandeinwanderer zeigten keine genetische Verschiedenheit, waren aber beide genetisch signifikant verschieden von Strandlachsen.
Statistische Abschätzungen ergaben, daß bei einer so hohen "Einwanderungsrate" (40 % der am Strand gefangenen Lachse waren im Fluß aufgewachsen) die ermittelten genetischen und morphologischen Unterschiede nur aufrechterhalten werden können, wenn sich die eingewanderten und einheimischen Strandlachse nicht miteinander paaren, also bei Existenz einer reproduktiven Isolation. Damit handelt es sich um zwei Arten, deren Artbarrieren innerhalb maximal 13 Generationen aufgebaut worden sein müssen.
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Beide Studien belegen eine Spezialisierung, die von einer polyvalenteren Ausgangsform ausgeht.
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Beide Studien belegen mikroevolutive Vorgänge der Spezialisierung, ausgehend von einer polyvalenteren Ausgangsform: Die Lachse am Strand haben hinsichtlich Körpermaße bezeichnenderweise Extremwerte der Ausgangspopulation; die allopatrischen Fruchtfliegen entwickeln ein ähnliches Pheromon wie ihre sympatrischen Artgenossen. Letzteres deutet auf die Ausnutzung programmierter Variabilität hin, nicht auf eine de novo Entstehung eines Pheromons: die große, oft kolonie- oder individuenspezifische Variation von Pheromonen ist oft nachgewiesen worden (Wehner & Gehring 1995). Die Zeitspannen, in denen sich die Änderungen vollzogen - 9 bzw. 13 Generationen - erscheinen zudem viel zu kurz, um eine Neuentstehung vorher nicht vorhandener Strukturen denkbar erscheinen zu lassen.