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Clayton Heathcock, Chemie-Professor an der Universität Berkeley und weltbekannter Lehrbuchautor im Bereich Organische Chemie, beschäftigt sich u.a. mit komplexen Naturstoffsynthesen, z.B. von Daphniphyllum-Alkaloiden. Nach einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen in den Jahren 1992-1995, erschien von ihm ein interessanter Review-Artikel (Heathcock 1996) unter dem genannten Titel. In diesem würdigt er zunächst die herausragenden Leistungen, die in den letzten Jahrzehnten bezüglich der Synthese hochkomplexer Naturstoffe erbracht wurden (u.a. Häm- und Corrin-Verbindungen, Palytoxin oder Taxol), meist charakterisiert durch das enge Zusammenwirken mehrerer kompetenter Arbeitsgruppen über viele Jahre hinweg. Obwohl also die prinzipielle Machbarkeit gezeigt ist, sind laut Heathcock die in aller Regel enttäuschend geringen Ausbeuten und der langwierige, aus wenig effizienten Teilschritten bestehende Syntheseprozeß zu beklagen, so daß pharmakologisch wirksame komplexe Naturstoffe per Totalsynthese i.d.R. kaum in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden können (Beispiel: Taxol, ein Wirkstoff für die Krebstherapie). Dem setzt Heathcock eine bemerkenswerte Leitlinie entgegen: Schau, wie es die Natur macht, und lerne von ihr, denn Biosynthesen zeichnen sich durch hocheffiziente Reaktionsfolgen aus. Diese in seinem Labor praktizierte Arbeitsweise, nennt Heathcock "biomimetische präparative Chemie" (die Natur oder Lebewesen nachahmende chemische Synthese), und illustriert sie anhand seiner Laboruntersuchungen zur Synthese von Daphniphyllum-Alkaloiden. Alkaloide sind eine strukturell äußerst vielfältige Klasse von basisch (= alkalisch) reagierenden pflanzlichen Naturstoffen mit endo- oder exocyclischen Aminfunktionen, deren gemeinsame Klammer die biogenetische Herleitung aus Aminosäuren ist (plus z.T. weiterer Substanzen wie etwa Terpen-Verbindungen). So ist beispielsweise Tryptophan eine Vorstufe von Indol- und Chinolin-Alkaloiden, Tyrosin von Betacyanen und Betaxanthinen, Tyrosin + Phenylalanin von Amaryllideen-Alkaloiden und Colchicin, Ornithin von Tropan-Alkaloiden und Lysin von Chinolizidin-Alkaloiden (Hess 1979). Daphniphyllum-Alkaloide (ca. 7 Gerüsttypen, > 30 Verbindungen) leiten sich bezüglich ihres Gerüstes von Squalen (1) ab, welches zum pentacyclischen (5 Ringe) Kern von seco-Daphniphyllin (2) und weiter von Daphniphyllin (3) und anderen Gerüsttypen cyclisiert. Um die einzelnen Schritte der Umwandlung von Squalen zu einer pentacyclischen Verbindung unter N-Einbau experimentell nachvollziehen zu können, wurde eine Synthesestrategie ausgearbeitet, die unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Daten am geeignetsten erschien (Details siehe Kasten). Diese wurde zunächst bezüglich ihres letzten Abschnittes mit einem präparativ "naheliegenden" Reagenz-Set aus einem komplexen Amid, einem Ester, einem Isoprenoyl-iodid und Ammoniak geprüft - mit befriedigendem Resultat (ca. 64% Ausbeute). Doch der Einstieg schon eine Stufe früher war ernüchternd. | ![]() |
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In einem Wiederholungsexperiment des ersten Ansatzes, bei dem zufällig Methylamin statt Ammoniak zur Anwendung kam, gelang der Einstieg nicht nur mit guten 75% Ausbeute, sondern es entstand auch - anders als zuvor - ein Reaktionsprodukt mit gesättigtem terminalem Isopropylrest, wie beim Naturprodukt (s. Abb. 1, (2)). Und: bei früherem Einstieg in die Reaktionssequenz auf der Dialdehyd-Stufe wurde mit gut 65% Ausbeute wieder das Dihydro-proto-Daphniphyllin erhalten, mit absolut regioselektiver Sättigung einer von drei C=C-Doppelbindungen (vgl. Abb. 2, (6)) - nämlich die terminale Isopropenylgruppe -, und somit korrekter Konformation des Gerüstes. Dieser Befund konnte auf die Tatsache zurückgeführt werden, daß Methylamin (primäres Amin, analog Aminosäuren!) eine Änderung des Reaktionsmechanismus (Hydridverschiebung statt Protonentransfer) bewirkt. In der Biosynthese wird kein Methylamin eingesetzt, sondern wohl Pyridoxamin, der Carrier bei den Transformationen zwischen a-Ketosäuren und a-Aminosäuren, oder der allgemeinen Regel folgend eine Aminosäure (beides ebenfalls primäre Alkylamine), so daß die Arbeiten aus dem Labor von Clayton Heathcock als Fortschritt in der Erforschung des natürlichen Syntheseweges betrachtet werden dürfen. | ![]() |
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Stellt sich zum Schluß die Frage: warum ist die Natur der geniale Prozeßchemiker, der Lehrer in Sachen effiziente, selektive Reaktionsfolgen, und das über sämtliche Naturstoffklassen hinweg - in besonderem Maße beeindruckend gerade auch im Falle der Isoprenoidsynthese (z.B. Squalen; Hess 1979)? Heathcock folgt der allgemein verbreiteten Ansicht, daß sich in der Natur durch Zufall, lange Zeiträume und Auswahl der besten Reaktionen diese hohe Leistungsfähigkeit allmählich etablieren konnte; zunächst rein chemisch, später, vom Selektionsdruck gefördert, enzymkatalytisch. Die eingangs erwähnte Tatsache, daß komplexe Totalsynthesen unter Einsatz modernster Mittel und Methoden, bestens ausgebildeter Arbeitskreise (know-how) und über Jahrzehnte sich erstreckenden Kooperationen die dennoch eklatante Ineffizienz nur schwer überwinden können, berechtigt zu Überlegungen, ob nicht das Gegenteil von Zufall, nämlich ein genialer Chemo-Designer (= gesteuerte Synthese) das Geheimnis hinter der Faszination Biochemie sein könnte: Nature works best, because the Creator knows best. | ![]() |
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