Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 6. Jg. Heft 1 - März 1999


Hinweise auf Lebensspuren im Mars-Meteoriten ALH84001 nahezu widerlegt

von Wolfgang B. Lindemann

Studium Integrale Journal
6. Jahrgang / Heft 1 - März 1999
Seite 31 - 33



NASA-Chef Goldin versetzte am 6. August 1996 die Welt mit der Nachricht in Aufregung, daß ein Wissenschaftler-Team starke Hinweise auf mikrobielle Lebensformen in einem ursprünglich vom Mars stammenden, im Eis der Antarktis entdeckten Meteoriten gefunden habe (McKay et al. 1996). ALH84001, der besagte Meteorit, wurde nach einem angenommenen 12000-jährigen Aufenthalt im Eis der Antarktis 1984 bei einer Forschungsexpedition gefunden. Die Herkunft vom Mars wurde 1993 durch Analysen von Gaseinschlüssen abgeleitet. Wie bereits im Studium Integrale Journal berichtet (Pailer 1997), legten mehrere verschiedene Untersuchungsergebnisse anfänglich den Schluß nahe, daß es auf dem Mars früher mikrobielles organisches Leben gegeben haben könnte. Im einzelnen fanden sich:

  • Mineralstrukturen, die im Elektronenmikroskop fossilen Bakterien morphologisch ähneln,
  • Spuren organischer Verbindungen, u.a. sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK),
  • winzige, 50nm große rosettenförmige Karbonatstrukturen, die möglicherweise durch Bakterien gebildet wurden,
  • Magnetitkörnchen, die von irdischen Bakterien gebildeten Magnetitkonglomeraten ähneln.

Pailer (1997) hat bereits eine vorläufige Bewertung dieser Funde vorgelegt. Damals wurde u.a. darauf hingewiesen, daß die Anwesenheit von organischem Material an sich nicht auf einen biogenen Ursprung schließen lasse; insbesondere PAKs wären auch in anderen Arten von Meteoriten gefunden worden. Weiterhin wurde ausgeführt, daß das kleinste terrestrische Mikrofossil 100 mal größer sei als die Mineralstrukturen im Meteoriten ALH84001 und daß nicht klar sei, bei welcher Temperatur die gefundenen Karbonate gebildet wurden: hohe Temperaturen zur Zeit ihrer Bildung würden Leben ausschließen. Schließlich ähnele die Struktur der Magnetitkörnchen irdischen anorganisch gebildeten Magnetiten und sei damit anders als die von irdischen Bakterien gebildete.

Zwei Jahre intensiver Forschung haben nun eine erdrückende Menge an Argumenten erbracht, die gegen die Deutung der Funde in ALH84001 als Spuren mikrobiellen Lebens sprechen.

Auf einem internationalen Workshop vom 2.- 4. November 1998 in Houston, Texas, wurden die Ergebnisse verschiedener Arbeitsgruppen zusammengetragen und diskutiert (Kerr 1998). Dabei ergab sich:

1. Die als "fossile Bakterien" angesehenen Mineralstrukturen sind um Größenordnungen zu klein, um als mikrobielles Leben angesehen werden zu können. Eine E.coli Zelle besitzt einen Durchmesser von etwa 2000 nm. Auf einem internationalen Kongreß wurde erst kürzlich Konsens darüber erzielt, daß aus theoretischen Gründen eine Zelle mit einem geringeren Durchmesser als 200 nm nach der uns bekannten Biochemie nicht lebensfähig ist, da sie zu wenig Platz besitzt, um eine Minimalausstattung an DNA und Zellorganellen zu beherbergen (Vogel). Die Größe der meisten Mineralstrukturen liegt im Bereich einiger 10 Nanometer, ein gefundener 250nm langer "Wurm" ist zu klein, um das für Leben notwendige Volumen bereitstellen zu können. Die Annahme, daß extraterrestrisches Leben nach einer uns unbekannten Chemie funktioniert, ist zwar theoretisch denkbar, zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht prüfbar und damit wissenschaftlich bedeutungslos. Wie John Bradley und Allan Treimann auf dem Workshop in Houston ausführten, sind von der Erde anorganische Prozesse bekannt, die vergleichbare Strukturen abiogenetisch bilden können.

2. Da der Meteorit 12000 Jahre im Eis der Antarktis gelegen haben soll, wäre eine Kontamination mit von außen eingedrungenen PAKs denkbar. Eine Studie im Januar 1998 schien diese Annahme zunächst sehr wahrscheinlich zu machen, da das kurzlebige Kohlenstoffisotop 14C in den organischen Verbindungen im Meteoriten gefunden wurde. In Anbetracht des Alters des Meteoriten dürfte kein 14C vorhanden sein - die 14C-haltigen Verbindungen müssen also auf der Erde hineingelangt sein. Im Juli 1998 wurde dieser Befund insofern relativiert, als andere antarktische Meteoriten, die sich viel länger im Eis befanden, zwar 14C enthielten, aber nicht denselben Typ von PAKs. Demnach wäre jetzt zu postulieren, daß möglicherweise die PAKs vom Mars her vorhanden waren, während andere organische Verbindungen auf der Erde hineindiffundierten. In keinem Fall ist allerdings das Vorhandensein von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen ein Beweis für das Vorhandensein von Leben, denn solche Verbindungen können auch abiotisch entstehen.

3. Die 50nm großen Karbonatrosetten können gleichfalls nicht als Beweis für Leben gelten, denn sie entstehen auf der Erde auch unter abiotischen Bedingungen. Als Temperaturbereich für ihre Bildung nimmt man gegenwärtig zwischen 0°C und 300°C an. Da auf der Erde die Temperaturgrenze für Leben aber bei 113°C liegt, würden, unter Annahme grundsätzlich ähnlicher Eigenschaften extraterrestrischen Lebens, hohe Temperaturen zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Karbonate deren biotische Entstehung ausschließen, niedrige Temperaturen würden lediglich eine biotische Entstehung möglich erscheinen lassen, sie aber nicht beweisen.

4. Der einzige eventuell zugunsten von Lebensspuren in ALH84001 deutbare Befund sind die Magnetitknöllchen. Bakterien benutzen sie als magnetische Kompasse bzw. als Deponien für überflüssiges Eisen. Nach Untersuchungen können 75% von ihnen aufgrund ihrer Struktur anorganisch produziert worden sein, während für 25% keine anorganisch entstandenen Homologa auf der Erde bekannt sind. Dieses Argument wird erheblich geschwächt durch den noch unzureichenden Kenntnisstand, der es nach Aussagen von Magnetitforschern nicht erlaubt, sicher zu sagen, welche Strukturen biotisch und welche abiotisch entstehen.

Die weitaus meisten Teilnehmer am Workshop in Houston waren der Meinung, daß die Funde in ALH84001 keine Hinweise für Leben bieten. Eine Minderheit, unter ihnen der Entdecker der vermeintlichen Lebensspuren, McKay, beharrte auf der Deutung als Leben und verlangte vehement weitere Forschungen. Hauptproblem dürfte in der Zukunft sein, daß die "Leben"-Hypothese nur schwer absolut zu widerlegen ist, da extraterrestrisches Leben auch auf einer völlig anderen als der uns bekannten Biochemie basieren könnte. Nach der uns bekannten Biochemie kann freilich jetzt schon das Vorhandensein von Lebensspuren in ALH84001 mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden: Die ursprüngliche Kommentierung der Funde in ALH84001 durch Zare von der Standford-University: "Er (sieht) etwas wackeln wie eine Ente, es quakt wie eine Ente, deshalb wird es auch eine Ente sein" muß als vorschnell und unbegründet angesehen werden. Es bleibt Freiraum, Leben und dessen Entstehung mit ganz anderen Bedingungen zu erklären. Und selbst wenn es sich bei den Spuren auf ALH84001 um Hinweise auf ehemaliges Leben handeln würde, wäre dessen abiogenetische Entstehung damit nicht belegt.



Literatur

  • McKay DS et al. (1996), Search for past life on Mars: Possible relic biogenic activity in Martian meteorite ALH84001. Science 273, 924.
  • Pailer N (1997) Vorläufige Bewertung der Diskussion über mögliche Lebensformen auf dem Mars. Stud. Int. J. 4, 32-34.
  • Kerr R (1998) Requiem for life on Mars? Support for microbes fades. Science 282, 1398-1400.
  • Vogel G (1998) Finding life's limits. Science 282, 1399.


zum Seitenanfang

Studium Integrale Journal 6. Jg. Heft 1 - März 1999