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BeobachtungenSeit längerer Zeit werden gelegentlich Magnetisierungsverläufe in erstarrten Lavaflüssen beobachtet, die eine extrem schnelle Feldumkehr zum Teil innerhalb weniger Wochen nahelegen. Eine Zusammenstellung systematischer Untersuchungen von Sedimentmagnetisierungen liegt nun in einer Arbeit von H.-U. Worm vom Institut für Geophysik der Universität Göttingen vor. Ein für die Sedimentmagnetisierung typisches Problem liegt darin, daß ein magnetisches Feld bei einer Ablagerung nicht unmittelbar gespeichert wird, sondern daß die magnetischen Sedimentkörner bis zu einer gewissen Verfestigung der Schicht noch eine Zeitlang dem veränderten Feld folgen können. Dies führt zu einer "Verschmierung" der Aufzeichnung, die abhängig ist von stark veränderlichen äußeren Bedingungen wie z.B. der Sedimentationsrate, einer eventuellen biologischen Aktivität innerhalb der sich ablagernden Schichten, usw. Abschätzungen über diese sogenannte "lock-in"-Tiefe reichen von ca. 1 cm bis hin zu mehr als 40 cm. Magnetisierungsmessungen an Sediment-Bohrkernen spiegeln somit nicht den wahren zeitlichen Feldverlauf wider, sondern ergeben lediglich eine Obergrenze für die mögliche Dauer einer Feldveränderung, die tatsächlich sehr viel schneller ablaufen konnte. Für den Übergang beispielsweise von der Matuyama- zur Brunhes-Epoche wurden für die Dauer der Feldumpolung von verschiedenen Forschungsgruppen als Obergrenzen Werte von <1000 Jahren, 280 Jahren, <50 Jahren und sogar ca. 38 Jahren ermittelt! Derart kurze Zeitdauern widersprechen jedoch den gängigen Vorstellungen und sind nicht allgemein anerkannt. Beim Vergleich einiger an verschiedenen Breitengraden gewonnenen Bohrungen konnte Worm eine erstaunliche Beobachtung machen: Bohrkerne aus hohen Breitengraden (Yermak-Plateau, 82°N) zeigen innerhalb der Brunhes Epoche mehrere voll ausgebildete Intervalle mit inverser Magnetisierung, ein Kern ist sogar zu mehr als 50% seiner Länge invers magnetisiert. Messungen bei mittleren Breitengraden (Vøring-Plateau, 66°N, Nordpazifik, 51°N) ergeben immer noch einige Exkursionen, allerdings ist nur bei wenigen davon eine volle Polaritätsumkehr ausgebildet. Bohrkerne schließlich aus sehr niederen Breitengraden zeigen üblicherweise keinerlei Anzeichen für eine Episode oder Exkursion innerhalb der untersuchten Brunhes-Epoche. Vergleicht man die paläomagnetischen Ergebnisse mit paläoklimatischen Untersuchungen (z.B. Messung der Sauerstoffisotopen-Verhältnisse, die den Temperaturverlauf widerspiegeln), ergibt sich folgendes Bild: Alle Episoden scheinen im Rahmen der Meßunsicherheit in Zeiten sinkender Temperaturen (d.h. zu Beginn von Eiszeiten) aufzutreten. Einzelne Bohrkerne zeigen zudem in Bereichen mit Exkursionen eine Verarmung an Fossilien, wie sie in Zeiten mit kaltem Klima auftritt. Die Ursache für den Zusammenhang von Erdfeld und Klima ist ungeklärt, möglicherweise hat das veränderte Trägheitsmoment der festen Erde über dem flüssigen äußeren Kern infolge der Verlagerung großer Mengen von Wasser als Eis an die Pole einen Einfluß auf Vorgänge im Konvektionssystem des äußeren Erdkerns und damit auf die Magnetfeld-Erzeugung. Verbunden mit dem Beginn einer Eiszeit ist eine erhebliche Erhöhung der Sedimentationsrate in höheren Breitengraden durch stärkeren Gletscherabtrag und freiliegende Küstenbereiche infolge des sinkenden Meeresspiegels. Aufgrund der schnellen Sedimentablagerung würden während dieser Zeit auftretende kurze Exkursionen besonders deutlich aufgezeichnet, da in diesem Bohrkernabschnitt der Zeitverlauf sozusagen "gedehnt" dargestellt ist. In Breitengraden mit geringerer Sedimentationsrate sollten diese kurzen Exkursionen wegen der Verschmierung durch die endliche "lock-in"-Tiefe in den Bohrkernen überhaupt nicht nachweisbar sein. |
SchlußfolgerungFügt man die einzelnen Beobachtungen zusammen, ergibt sich folgendes Gesamtbild: Es existieren innerhalb der Brunhes-Epoche kurze Exkursionen, bei denen die Feldumkehr so schnell erfolgt ist, daß sie nur in Bohrkernen aus Breitengraden mit zeitweilig hoher Sedimentationsrate (am Beginn von Eiszeiten) nachweisbar sind. Dies würde jedoch bedeuten, daß eine globale Feldumkehr in noch erheblich kürzerer Zeit ablaufen kann, als es bisher allgemein angenommen wurde, laut Worm sogar innerhalb eines Menschenlebens. Weiterhin legen die Beobachtungen nahe, daß diese Feldumkehrungen verstärkt zu Beginn von Eiszeiten auftreten, was einen bislang unbekannten Zusammenhang zwischen Klima und Geodynamo vermuten läßt. Unabhängig von den Messungen an Tiefsee-Bohrkernen existieren Beobachtungen an Lößschichten, die den beschriebenen Sachverhalt erhärten: Lößablagerungen sind Sedimente, die im Vorland vereister Gebiete durch Windverfrachtung abgesetzt wurden; während wärmerer und feuchterer Zeiten wandelten sie sich in "Paläosol"-Böden um. Sowohl die Matuyama-Brunhes Grenze als auch einige Episoden konnten bei Untersuchungen an kontinentalen Sedimentablagerungen (China und Deutschland) festgestellt werden. Derzeitige Ergebnisse deuten darauf hin, daß im Rahmen der vorhandenen Unsicherheiten tatsächlich Feldumkehrungen in Löß (und somit in Zeiten kalten Klimas) aufgezeichnet sind und damit den oben geäußerten Zusammenhang zwischen Erdfeld und Klima bestätigen. |
Literatur
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