Anmerkungen zu Genomdaten aus Fossilfunden
Bisher waren die ältesten Genomdaten an Bärenfossilien bestimmt worden, für die ein Alter von 110 000 - 130 000 Jahren angegeben wird; für die Fossilien, die für die Genome von Neandertalern oder Denisova-Menschen genutzt wurden, lauten die entsprechenden Altersangaben ca. 48 000 bzw. 30 000 - 48 000 Jahre.
Angesichts der Laborerfahrungen beim Umgang mit DNA und deren chemischer Beständigkeit ist nach wie vor nicht verstanden im Sinne molekularer Mechanismen, für die empirische Befunde angeführt werden können , wie DNA-Makromoleküle so lange Zeiträume unter entsprechenden geologischen Bedingungen erhalten bleiben.
Allentofft et al. (2012) haben an 158 Fossilien der als ausgestorben geltenden neuseeländischen Laufvögel Moa Untersuchungen zur Zerfallsgeschwindigkeit von DNA in Fossilien vorgelegt. Diese Moa-Fossilien aus 3 Fundstellen weisen Radiokarbonalter von ca. 600 bis ca. 7800 Jahren auf. Aufgrund der geologischen Gegebenheiten gehen die Autoren davon aus, dass die Bedingungen in den Fossillagerstätten vergleichbar sind. Sie haben damit erstmals die Gelegenheit, eine erstaunliche Vielzahl von Fossilien mit unterschiedlichen radiometrisch bestimmten Altern zu untersuchen und damit Hinweise auf die Zerfallsgeschwindigkeit (Kinetik) der DNA zu finden.
Für ein DNA-Polymer aus 242 Basenpaaren ermitteln die Autoren auf der Basis der Daten der Moa-Fossilien eine Halbwertszeit von 521 Jahren, was eine Nukleotid-Zerfallsrate von 5,5 x 10-6 pro Jahr entspricht. Bei den entsprechenden geologischen Lagerungsbedingungen mit einer Temperatur von 13,1 °C ist diese Rate damit fast 400 mal langsamer als eine vergleichbare im Labor bestimmte Geschwindigkeit für Depurinierung (Abspaltung der Purin-Heterocyclen aus DNA-Molekülen) bei pH 5. Die Autoren diskutieren diese Diskrepanz und unterbreiten Vorschläge, wie der Unterschied zwischen den Zerfallsgeschwindigkeiten verringert werden könnte. Die Bedingungen im Labor sind im Vergleich zu den Gegebenheiten während der Fossilisation und Lagerungen sehr viel besser zu bestimmen und zu kontrollieren. Die Annahmen über die physikalisch-chemischen Randbedingungen und deren Änderungen während langer Zeiten sind dagegen mit großen Unsicherheiten behaftet.
Allentoft et al. (2012) ziehen aus den kinetischen Daten ihrer Untersuchung an den Moa-Fossilien den Schluss, dass in Proben aus tiefgekühlten Lagerstätten auch nach mehr als einer Million Jahren noch sequenzierbare DNA-Fragmente vorhanden sein könnten.
Das von Orlando et al. (2013) vorgelegte fossile Pferdegenom passt in diesen von Allentoft et al. (2012) aufgespannten Zeitrahmen (s. Millar & Lambert 2013). Die oben genannte Feststellung, dass ein Verständnis der zugrundeliegenden chemischen Prozesse noch aussteht, ist durch weitere Genomdaten aus fossilen Proben nicht einfach vom Tisch zu wischen. Die verfügbaren sehr leistungsfähigen Methoden zur DNA-Sequenzierung lassen zukünftig weitere Untersuchungen dieser Art erwarten, die auch Hinweise liefern könnten zur Lösung der derzeitigen Diskrepanz zwischen chemischer Stabilität von DNA im Labor und wachsender Datenmenge zu Genomsequenzen aus alten Fossilien.
Für ein mechanistisches Verständnis der für die Erhaltung von Biomakromolekülen notwendigen Prozesse sind intensivere Bemühungen notwendig, vergleichbare Abläufe unter Laborbedingungen zu simulieren. Ob sie dazu führen, die Diskrepanz zwischen bisher bekannten Erfahrungen aus dem Labor und den Untersuchungen an Fossilien zu verringern, bleibt abzuwarten.
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