Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 16. Jg. Heft 2 - November 2009
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Igor & Grichka Bogdanov
Wir sind nicht allein!

Leben im Universum

Rezension von Wolfgang B. Lindemann

Studium Integrale Journal
16. Jahrgang / Heft 2 - November 2009
Seite 127 - 128


Igor & Grichka Bogdanov
Wir sind nicht allein! Leben im Universum.
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
200 S.

Liegt es am Darwin-Jahr, an den neuen Großprojekten der NASA (Rückkehr zum Mond, bemannter Flug zum Mars), oder gar am neuen Jahrtausend, dass zur Zeit die Thematik „Leben im Universum“ besondere Aufmerksamkeit findet (Eberhardt 2009, Adams 2006, Ward & Brownlee 2001, Gonzales & Richards 2004)?
Hier soll die erste von zwei Neuerscheinungen der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) zur Thematik besprochen werden: Das Buch der Brüder Igor (Theoretischer Physiker) und Grichka (Mathematiker) Bogdanov „Wir sind nicht allein!“

Der rückseitige Klappentext beschreibt den Inhalt: „Igor und Grichka Bogdanov nehmen uns in diesem spannenden Buch mit auf eine faszinierende Reise durch das Universum. Mit fantastischen Bildern und leicht verständlichen Texten gehen sie erstaunlich vielen Hinweisen und Spuren außerirdischen Lebens nach. (…) Eine überwältigende Anzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Astronomie, Chemie, Physik und Biologie führt zu einem eindeutigen Fazit: Wir sind nicht allein!“

Hält das Buch, was es verspricht? Betreffend Anzahl, Größe und ästhetischer Wirkung der Bilder zweifellos. Es ist mehr ein Bildband: Ganze 152 der einschließlich Glossar 200 Seiten sind ausschließlich Bildern mit ihren kurzen Legenden gewidmet. Die übrigen Seiten sind von großformatigem Text eingenommen, mit vielen Freiräumen, um einzelne Sätze noch einmal herauszustellen. Da bleibt nicht mehr viel Platz, um die sachlichen Fakten darzustellen. Dennoch gelingt dies den Autoren im astronomischen Bereich erstaunlich gut. Die meisten Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Planet Leben tragen kann, werden genannt: Der auf wenige Prozent richtige Abstand der Erde zur Sonne, die Stabilisierung der Erdachse und damit des Klimas durch den außerordentlich großen Mond. Ferner die Lage der Sonne in einem der Spiralarme der Milchstraße (und nicht etwa in einem Kugelsternhaufen oder im sternendichten galaktischen Zentrum) und die ungewöhnlich geringe Schwankung ihrer Helligkeit. Die Plattentektonik als globaler Thermostat wird jedoch ebensowenig erwähnt wie die „Kometenfalle“ Jupiter.

Es gibt im Buch jedoch viele Widersprüche: Auf S. 12 heißt es zum Mars: „Bis heute fand man in seinem Sand nur Mineralienverbindungen und Kieselsteine, keinerlei Organismen“, während im inneren Einbandtext steht „Oder wie ist es zu erklären, dass in Gesteinen auf dem Planeten Mars fossile Bakterien vorkommen“ und auf S. 14 „Das linke Foto zeigt möglicherweise fossile Marsbakterien, die im letzten Jahrhundert auf einem Meteoritenfragment vom Mars gefunden wurden (…) Auch beim berühmten – und ebenso umstrittenen – Fragment des Marsmeteoriten ALH 84001, der 1984 entdeckt wurde (…) sind Wissenschaftler der Ansicht, solche Ketten hätten sich in organischem Milieu (wie vielleicht Bakterien) bilden können, das die Gesamtstruktur der Kristalle aufrechterhielt. Verwirrend ist, dass die Magnetitkristalle denen gleichen, die man in Bakterien findet, die heute auf der Erde leben“. Das erstgenannte Zitat (S. 12) ist sachlich richtig, die nachfolgenden (S.14) nicht (Lindemann 2007).

Auf S. 95 schreiben die Autoren: „Da auch diese Sterne [die Roten Zwerge, W.L.] heute als geeignet erscheinen, Leben auf ihren umlaufenden Planeten zu ermöglichen …“ und weiter unten „Das Leben muss man in erster Linie um Sterne suchen, die unserer Sonne gleichen.“ Dann heißt es S. 101 „(…) sind es Gasriesen wie Jupiter und Saturn, auf denen es eindeutig kein Leben geben kann“. Warum werden dann auf S. 183 und S. 189f. suggestive Zeichnungen von möglichen Lebensformen auf solchen Planeten präsentiert?

Dass die Autoren keine Biochemiker sind, macht sich an Äußerungen wie etwa folgenden bemerkbar: „Die Zufuhr von Energie reicht aus, um ein anorganisches Gemisch in einen präbiotischen Stoff zu verwandeln“ (S. 33). Das ist viel zu allgemein formuliert, und die wichtigen Makromoleküle der Lebewesen sind auf diese Weise nie erzeugt worden.

Leben entsteht dagegen nach Ansicht der Autoren zwangsläufig, wenn nur die Randbedingungen günstig sind: „In der zweiten, der organischen Phase, gibt es zwar noch kein Leben, aber es kündigt sich bereits an. Es entstehen die ersten komplexen Moleküle, organische Verbindungen, die zur Entstehung von Leben unerlässlich sind. (…) Alle diese Verbindungen basieren auf einem gemeinsamen Element, dem Kohlenstoff, dem eigentlichen „Lebensatom“ und sind Vorbedingung für den dritten Schritt, die präbiotische Phase. In diesem Stadium vereinigen sich die organischen Moleküle zu ersten Bausteinen der großen Mauer des Lebens: den Aminosäuren, den Hauptbestandteilen der Proteine. Alles ist zum Start der vierten Etappe bereit, der urbiologischen Phase“ (S. 16). Das ist aber (polymer-)chemisch nicht haltbar; das Gleichgewicht für die einzelnen Reaktionen liegt jeweils weit auf der Seite der einzelnen Elemente und Bausteine.

Kohlenstoff wird als das „eigentliche Lebensatom“ bezeichnet, was zu Beginn des Kapitels 3 „Kohlenstoff gegen Silizium“ wiederholt wird „weil dieses Element sehr leicht Verbindungen mit anderen Elementen eingeht (…) Diese Ketten sind nicht nur äußerst stabil, sondern auch sehr flexibel.“ Im Folgenden werden dann Spekulationen über Silizium-basierte Lebewesen angestellt. Die Autoren konzedieren: „Anders als die Kohlenstoffketten, aus denen jedes Element problemlos wieder herausgelöst werden und an anderer Stelle wieder eingefügt werden kann, sind die Siliziumketten so fest, dass sich die einzelnen Elemente nur sehr schwer wieder voneinander trennen lassen. Silizium erlaubt also nicht die zahllosen Reaktionen, die das Leben in der Form, wie wir es auf der Erde kennen, voraussetzt.“

„Da aber eine solche Möglichkeit nicht völlig auszuschließen ist“ (S. 56) stellen die Autoren phantasievolle Spekulationen an, illustriert mit noch phantasievolleren Bildern von Silizium-basierten Lebewesen, die in einer mit Benzol gesättigten Atmosphäre unter Druckverhältnissen wie auf dem Grund irdischer Ozeane leben sollen. Warum gerade diese Randbedingungen angegeben werden, ist nicht ersichtlich.

Ein weiterer Mangel besteht darin, dass keine Unterscheidung zwischen einfachem – mikrobiellem – und komplexem Leben (wie vor allem vielzellige Tiere und Pflanzen) vollzogen wird. Die Aussage auf S. 134 „Je komplexer lebende Organismen sind, umso sensibler reagieren sie auf die Temperatur und Temperaturschwankungen der Umgebung“ bleibt im Buch ohne Folgen. Auf S. 47 versteigen sich die Autoren sogar zu der These (die auf den folgenden Seiten noch mehrfach wiederholt wird): „Das Universum, das uns umgibt, könnte von Natur aus auf das Leben und das Bewusstsein hinstreben.“ Wie ist das bei einem rein materialistischen Hintergrund möglich? Wird hier die Idee des Intelligent Design angedeutet? Woher die Feinabstimmung der Naturkonstanten kommt, wird nicht einmal thematisiert. Auf S. 75 schreiben die Autoren: „Lebensformen der Tiefsee, die Schwefelwasserstoff und andere tödliche Elemente aufnehmen, sind vielleicht gute ‚Muster’ dafür, wie Leben außerhalb der Erde aussehen könnte.“ Mikroorganismen und kleine Würmer, Krebse oder Insekten halten das aus, aber komplexeres Leben scheint unter diesen Bedingungen nicht vorstellbar. Und intelligente Lebewesen, die unser „Alleinsein“ ändern würden, schon gar nicht.

Fazit: Ein zwar kenntnisreiches, vielfach aber fehlerhaftes und im ganzen manipulativ wirkendes Buch, das nicht in einer renommierten Organisation wie der WBG erscheinen sollte.

Literatur

Adams F (2006)
Leben im Universum. München.
Erhardt O (2009)
Die Suche nach der zweiten Erde. Darmstadt.
Gonzalez G & Richards WJ (2004)
The privileged planet. How our place in the cosmos is designed for discovery. Regnery Publishing Inc, Washington DC.
Lindemann WB (2007)
Wasser dem Mars? Stud. Int. J. 14, 92-94.
Ward PD & Brownlee D (2001)
Unsere einsame Erde. Warum komplexes Leben im Universum unwahrscheinlich ist. Aus dem Amerikan. übers. von Eckard Helmers. Berlin, Heidelberg, New York.

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