Was haben Bridgham et al. gezeigt?
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Abb. 1: Überblick über die beschriebenen Evolutionsvorgänge. Die Balken symbolisieren Bindungsfähigkeit. VR Vorläufer-Rezeptor, GR Glucocorticoid-Rezeptor, MR Mineralocorticoid-Rezeptor. Näheres im Text. |
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Es geht um die Bindung von Hormonen an Rezeptorproteine. Solche Rezeptoren setzen Signalkaskaden in der Zelle durch die Bindung der Hormone an Rezeptoren in Gang. Dadurch werden spezifische physiologische Vorgänge ausgelöst. Die Ergebnisse der Experimente von Bridgham können in wenigen Sätzen beschrieben werden (nach Behe 2006): Die Autoren starteten ihre Experimente mit einem Rezeptorprotein, welches die Fähigkeit besaß, mit drei verschiedenen Steroidhormonen (Aldosteron, Cortisol and 11-Deoxycorticosteron [DOC]) stark wechselzuwirken. Durch Punktmutationen wechselwirkte dieses Protein viel schwächer mit diesen drei Steroiden. Eine bereits vorhandene Fähigkeit wurde also abgeschwächt. Soweit der nackte experimentelle Befund. Er belegt offenkundig in keiner Weise die Entstehung von IC und es stellt sich angesichts dieses Befundes die Frage, weshalb die Autoren und der Kommentator die evolutive Entstehung eines IC-Systems gezeigt haben wollen. Dazu muß etwas ausgeholt werden.
Die Autoren rekonstruierten einen hypothetischen Vorläufer-Rezeptor (VR), von dem zwei heute vorkommende Rezeptor-Typen evolviert sein sollen, nämlich der Glucocorticoid-Rezeptor (GR) und der Mineralocorticoid-Rezeptor (MR) (Abb. 1). MR und GR üben verschiedene Signalfunktionen aus (Bridgham et al. 2006, 97). Die heutigen Rezeptoren sollen durch eine Genduplikation (ein hypothetisches Ereignis; das Vorkommen von Genduplikationen ist aber grundsätzlich experimentell belegt) und durch Punktmutationen aus dem VR entstanden sein. Der künstlich hergestellte hypothetische VR kann wie das heutige MR die strukturell ähnlichen Hormone Aldosteron, Cortisol und DOC (s.o.) stark binden (vgl. Abb. 1 und 2). Zur Zeit, als der VR (auf unbekannte Weise) entstand (nämlich nach evolutionstheoretischen Vorstellungen vor 450 Millionen Jahren), gab es aber noch kein Aldosteron (dies wird indirekt durch vergleichende Studien an heutigen Organismen erschlossen und soll hier zugunsten des evolutionstheoretischen Arguments nicht problematisiert werden). Damit muß die Aldosteron-Affinität des VR damals ein Nebenprodukt der Affinität zu den anderen Steroidhormonen gewesen sein.
Durch zwei Aminosäureaustausche gelangte man nun vom VR ausgehend zum GR, der Cortisol und DOC, nicht aber Aldosteron binden kann.
Treten die beiden dazu erforderlichen Mutationen nacheinander auf, so führt dies entweder über eine Zwischenstation, in der der Rezeptor die drei Hormone gar nicht oder nur ganz schwach binden kann oder auf der er DOC und die anderen beiden Hormone nur schwach binden kann (in Abb. 2 rechts oben bzw. links unten). Die jeweils zweite Mutation führte dann zum heutigen GR, das die (in diesem Szenario erneute!) Fähigkeit besitzt, Cortisol (stärker) zu binden (während Aldosteron nach wie vor nicht mehr gebunden wird) (in Abb. 2 die Schritte nach rechts unten). Das andere Duplikat des VR wurde zum heutigen MR, das wie der VR alle drei Hormone binden kann.
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Abb. 2: Dieses Bild zeigt links oben schematisch den hypothetischen Vorläufer-Rezeptor, der Aldosteron, Cortisol und DOC bindet. Die Mutation L111Q führt zum Verlust der Bindungsfähigkeit des Rezeptors (dargestellt durch Verformung der Bindungstasche). Die Mutation S106P führt dazu, dass Aldosteron und Cortisol nur noch sehr schwach gebunden werden können, während DOC unverändert gebunden werden kann. Beide Mutationen zusammen erlauben wieder eine starke Bindung von Cortisol; Aldosteron passt jedoch nach wie vor nicht mehr. (Nach Adami 2006) |
Bridgham et al. heben hervor, daß die Aldosteron-Sensitivität des MR schon in seinem VR-Vorläufer vorhanden war, bevor es das Aldosteron überhaupt gab (s. o.). Der VR und seine Nachfolger waren also prädadptiert für eine Sensitivität für Aldosteron. Dieser (nur indirekt erschlossene!) Vorgang ist es, der von Bridgham et al. und Adami als Beleg für die Evolution einer IC-Struktur gewertet wird: „This evolutionary scenario recruiting an ancient receptor into partnership with a novel ligand ...“ (Bridgham et al. 2006, 100).
Aus den vorstehenden Beschreibungen geht hervor (wie oben kurz dargestellt), daß die einzigen Vorgänge dieses Szenarios, die experimentell belegt sind, die Folgen der beiden beschriebenen Punktmutationen sind (wie in Abb. 2 gezeigt).
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