Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 11. Jg. Heft 1 - April 2004
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Sedimentbildung bei der Hochwasserkatastrophe im Erzgebirge (Sachsen)
Teil 2: Enorme Transportvorgänge im Flußbett der Müglitz
zwischen Glashütte und Oberschlottwitz

von Manfred Stephan

Studium Integrale Journal
11. Jahrgang / Heft 1 - Mai 2004
Seite 11 - 19


Zusammenfassung: Beim Extremhochwasser im August 2002 wurden im Müglitz-Flußbett zwischen Glashütte und Oberschlottwitz (Erzgebirge) besonders starke Transportvorgänge beobachtet: Die geröllführende Basislage mit mehrere Dezimeter großen Blöcken ist sehr schlecht sortiert (1). Darüber folgen horizontalgeschichtete Sand- bis Grobkieslagen, die „schwimmende“ Einzelgerölle führen (2). Daraus geht eine zunehmend feinkörnigere, ebenfalls horizontalgeschichtete Sand-Feinkies-Wechselfolge hervor (3). Noch höher erfolgt der Umschlag in sandige Strömungsrippelschichten („kletternde Rippeln“; 4).
Die Entstehung der gesamten Abfolge kann so interpretiert werden: Durch die extrem hohen Niederschläge bildete sich im Flußbett der Müglitz ein hochenergetischer, dünnflüssiger Dichtestrom mit extremer Turbulenz. Als Folge konnten die Sortierungsprozesse zunächst nicht mit der schnellen Ablagerung der groben Gerölle Schritt halten, so daß die z.T. enormen Geröllgrößen der Basislage abrupt und praktisch unsortiert abgesetzt wurden (1). Die nun folgende horizontalgeschichtete Sand-Grobkies-Wechselfolge (mit größeren Einzelgeröllen) wurde in abwechselnd grob- und feinkörnigeren Lagen abgesetzt (2); teilweise vergleichbare Sedimentbildung wurde im Strömungskanal simuliert. Die darüber liegenden horizontalgeschichteten Grob- bis Feinsande mit Feinkieslagen dürften ähnlich entstanden sein; dabei ging das Energieniveau weiter zurück (3). Der folgende Umschlag in „kletternde Rippeln“ belegt immer noch ziemlich hohen, nun aber reinen Sandtransport und weiter zurückgehende Strömungsgeschwindigkeit (4).
Anschließend werden die Sedimentkörper (1) und (2) mit Grobschüttungen aus Oberkarbon, Unterperm und Untertrias verglichen. Bedeutsam ist, daß solche Sedimente der Erdvergangenheit mindestens ebenso rasch entstanden sind wie die im Müglitz-Flußbett. Jedoch kann im Unterschied zu heutigen Hochflutablagerungen die geographische Verbreitung entsprechender Sedimentgesteine sehr großräumig sein. Der moderne Ansatz, heutige Ablagerungsprozesse mit damaligen unreflektiert in Parallele zu setzen, ist sehr problematisch.




Einführung

Zielsetzung, Lokalität und Aufschlußsituation. Im ersten Teil dieses Artikels wurde eine Sandbank vorgestellt, die sich beim Extremhochwasser am 12./13. August 2002 zwischen Weesenstein und Dohna (ca. 10 km südlich von Dresden) neben dem Flußbett der Müglitz absetzte (Stephan 2003, Karte). Im Unterschied dazu wurde die geröllführende Sedimentfolge, die in diesem Teil behandelt wird, im Müglitz-Flußbett selbst abgelagert. Sie entstand weiter flußaufwärts, zwischen Glashütte und Oberschlottwitz (ca. 20 km südlich von Dresden).

Gaitzsch et al. (2002, 61) äußern zusammenfassend zur Katastrophenflut im Erzgebirge: „Die bis dahin kaum vorstellbare Energie solcher enormer Wassermassen führte zu intensiven Erosions- und Ablagerungsprozessen in den Flußauen.“ In diesem Sinn ist es Zielsetzung des vorliegenden Beitrags, die Transport- und Sedimentationsprozesse im Flußbett der Müglitz zu beschreiben und zu interpretieren. Dabei ist ein wichtiger Gesichtspunkt ein Vergleich zwischen grobkörnigen Sedimentgesteinen der Erdvergangenheit und den vorliegenden Hochflutablagerungen. Sehr bedeutsam ist weiter die geographische Ausdehnung von Grobschüttungen der Erdgeschichte im Unterschied zu vergleichbaren heutigen Sedimenten (s.u., „Vergleich mit Grobschüttungen der Erdvergangenheit“). Dieses Thema kann hier jedoch nur ansatzweise behandelt werden und bleibt detaillierten Einzelstudien vorbehalten.

Die beim Augusthochwasser am östlichen Müglitz-Ufer zwischen Glashütte und Oberschlottwitz abgelagerten geröllführenden Sedimente sind zum Teil mehr als 2 m mächtig. Infolge der rasch einsetzenden Wiederherstellungsmaßnahmen mit schwerem technischen Gerät waren von der kompletten Abfolge nur noch einzelne Bereiche stehen geblieben. Der größte Sedimentkörper ist nach dem Rückgang des Hochwassers, möglicherweise auch infolge der Baggertätigkeit, etwas Richtung Flußlauf abgerutscht (Abb. 1). Leider stand für die am 2. 10. 2002 durchgeführte Untersuchung nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung. Es ist angesichts der intensiven Wiederherstellungsmaßnahmen davon auszugehen, daß die Sedimente inzwischen komplett beseitigt worden sind.

Abb. 1: Geröllführende Sandschüttung am östlichen Müglitz-Ufer zwischen Glashütte und Oberschlottwitz. Das gesamte Sedimentpaket ist nachträglich etwas Richtung Flußbett gerutscht und nach links verkippt, so daß die Horizontalschichtung schräg liegt. Die Schüttung (Strömung von rechts) beginnt im Liegenden mit einer Sand-Grobkies-Wechselfolge, die zunächst teilweise wieder abgetragen wurde, vermutlich infolge zeitweiliger Strömungszunahme und/oder Sandbankverlagerung. Deutlich ist die diskordante, also unregulär-schräge Überlagerung an dem in Abb. 6 beschriebenen, dunklen Siltband zu erkennen, daß etwa bei cm 5 des Meterstabs nach links zieht und dort „abgeschnitten“ wird. Auch diskordante Überlagerung – sie ist oft in Sedimentgesteinen der Erdgeschichte zu beobachten – muß also keine längere Unterbrechung der Sedimentation bedeuten. Darüber wurde zunächst weiterhin Sand und Kies abgelagert, insgesamt mehr als 1 m. Auffällig ist das im Sediment „schwimmende“, nahezu würfelförmige (ca. 9 x 7 cm) Geröll etwa in Bildmitte. Die Sand-Grobkies-Wechselfolge wird nun insgesamt feinkörniger und endet etwa über einem gut gerundeten, ca. 4 cm messenden Geröll (knapp 40 cm links des „Würfels“; 2).
Sie geht in eine Sand-Feinkies-Wechsellage von ca. 30 cm über (3). Diese wird von einer ca. 15 cm mächtigen, rein sandigen Abfolge „kletternder Rippeln“ abgelöst (am oberen, linken Bildrand; 4).
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Beschreibung und Entstehung der Sedimente

Flußtyp und Art der Rinnenfüllung

Abb. 2: Der Donjek-Flußtyp ist gekennzeichnet durch Sedimentzyklen, die jeweils mit groben Korngrößen beginnen und nach oben zunehmend feinkörniger werden. Hervorgehoben sind die Sedimentfüllungen großer Flußbetten („Kanäle“; major channels) bzw. von Flußsystemen (channel systems) und begleitender, kleiner Kanäle (minor channels) eines verzeigten Wildfluß-Systems. Die große Kanalfüllung (Bildmitte), die mit einer Gerölllage beginnt und mit Rippelschichtung endet, ähnelt teilweise der Katastrophenflut-Sedimentfolge im Müglitz-Flußbett (nach Miall 1985a).

Donjek-Flußtyp? Die oben genannte Sedimentfolge scheint einer zyklischen Sedimenteinheit im Haupt-Strömungskanal eines verzweigten Wildflusses (braided river) zu ähneln, wie sie Miall (1978, 600-602; vgl. 1985a, 86f.) anhand des Donjek-Flusses in Nordkanada beschrieben hat (vgl. Stephan 2003, 55). Eine solche Sedimenteinheit ist im Liegenden durch grobkörnige Sedimente bestimmt, die nach oben feiner werden (Miall 1985b, 273ff; Füchtbauer 1988c, 867; vgl. Hildebrandt 2000, 6f.13; Abb. 2). Die meisten verzweigten Wildflüsse gehören diesem Flußtyp an. Ein Unten-grob-Zyklus des Donjek-Typs aus Kies und Sand, der nach oben feinkörniger wird, ist meist weniger als 3 m mächtig (Füchtbauer 1988c, 870); auch das trifft hier zu (s.u.).

Ähnlich wie bei anderen Erzgebirgsflüssen (vgl. Gaitzsch 2002, 65f.) war beim Extremhochwasser 2002 die Durchflußmenge um mehr als das 150fache erhöht. Damit änderte sich für die Zeit der Katastrophenflut das Flußbild schlagartig: Die Müglitz wurde zum talbreiten, mehrere Meter tiefen und reißenden Strom, sie sprengte katastrophisch die Barrieren der Zivilisation und hinterließ eine Verwüstung (vgl. z.B. Kenntemich 2002). „Wasserstandsänderungen können zu plötzlicher Veränderung des Erscheinungsbildes eines Flusses führen“ (Hildebrandt 2000, 9; vgl. Gaitzsch et al. 2002, 65).

Mischfracht-Rinne? Die Hochwasser-Sedimentfolge im Flußbett der Müglitz scheint am ehesten der einer Mischfracht-Rinne zu entsprechen. Diese Rinnenfüllungen eines verzweigten Wildflusses sind nach oben durch eine ausgeprägte Korngrößenverfeinerung (Gradierung) gekennzeichnet. Hornung (1999, 27) beschreibt sie z.B. aus dem Stubensandstein (Obere Trias, Mittlerer Keuper) Südwestdeutschlands. Dort sind die Rinnen an der Basis zwar nicht so grobkörnig wie im Müglitz-Flußbett, weil der südwestdeutsche Stubensandstein weiter entfernt vom Liefergebiet der Sedimente abgelagert wurde. Aber über der Basislage treten ebenfalls horizontal- und rippelgeschichtete Sande auf. Die Basislagen der Stubensandstein-Transportkanäle sind häufig massig-ungeschichtet (Hornung 1999, 24). Das ist wiederum für Bodenfrachtrinnen typisch und trifft auch auf die Gerölllage an der Basis der Müglitz-Sedimente zu (s.u.). Fossile Bodenfracht- und Mischfrachtrinnen sind jedoch oft nicht leicht zu unterscheiden (Hornung 1999, 24, 37, 40, 63, 71; Keller 1992, 634f., 640f.). So spricht Keller (2002, 60) bezüglich der Süßwasser-Grobschüttungen (Nagelfluh) des nordschweizerischen Molasse-Beckens (Tertiär) zum Teil salomonisch von „bodenfrachtreichen Mischfrachtrinnen“.

Methodische Anmerkung. Wie bereits aus der obigen Problematik hervorgeht, werden Sedimente zum Teil unterschiedlich klassifiziert und ihre Ablagerung im einzelnen verschieden gedeutet (vgl. z.B. die Positionen bei Dreikluft 1996, 14-22). Die hier vertretene Interpretation ist also im Detail hypothetisch. Das ändert jedoch nichts an der raschen Ablagerung der Sedimente selbst, wie sie durch das zweitägige Extremhochwasser vorgegeben ist (s.o.).

Im Folgenden werden die Sedimente beschrieben und ihre Entstehung interpretiert. Sie können in vier Einheiten untergliedert werden:

Blockführende, geröllreiche Basislage (1)

Die Schüttung besteht an der Basis aus einer sehr schlecht sortierten Geröllage, die reichlich Blockkies (6,3-20 cm Durchmesser) führt, zum Teil auch größere Blöcke (über 20 cm; Korngrößen nach Füchtbauer 1988a, 74; Abb. 4-18). „Schlecht sortierte, massige Konglomeratabfolgen entstehen bei maximaler Wasserführung“ (Dreikluft 1996, 15). Diese groben Komponenten sind manchmal gut gerundet, zumeist aber nur kantengerundet; erstere dürften einer umgelagerten, älteren Schottergeneration angehören. Die Gerölle stützen sich zum Teil gegenseitig ab oder „schwimmen“ im Sand.

Abb. 3: Die blockführende, geröllreiche Basislage (1) ist sehr schlecht sortiert. Die Komponenten sind zumeist allenfalls kantengerundet; einzelne gut gerundete dürften älteren Schottergenerationen entstammen. Manche Gerölle und der Block rechts unten (ca. 60 cm lang) lassen Dachziegellagerung erkennen (Strömung von rechts). Darüber (2) ca. 30 cm horizontalgeschichtete Sand-Kies-Wechselfolge mit „schwimmendem“ Fein- bis Grobkies; oben Taschenmesser als Maßstab. Bei der Schichtstörung links oben könnte es sich um eine Entwässerungsstruktur handeln, hervorgerufen durch plötzlich nach oben aufgedrungenes Porenwasser. Das wäre ein zusätzlicher Hinweis auf rasche Ablagerung des Sediments (vgl. Füchtbauer 1988b, 830f.). Östliches Müglitz-Ufer zwischen Glashütte und Oberschlottwitz.

Längliche Komponenten können mehr oder weniger gut ausgebildete Dachziegellagerung (Imbrikation) aufweisen (Abb. 3). Nach Füchtbauer (1988a, 81) ist das selbst bei wasserarmen Massentransporten wie Schutt- und Trümmerströmen (engl. Debris flows; Linek 2000, 9) gelegentlich zu beobachten (vgl. Dreikluft 1996, 17). Längliche Gerölle weisen zudem viel eher Dachziegellagerung auf als die zumeist gut gerundeten Buntsandsteingerölle (vgl. Mader 1985, 278). Auch stärker gerundete Grobkomponenten beim Hochwasser der Weißen Elster im Jahr 1954 zeigten sie nur undeutlich (Wagenbreth 1955, 331), während die plattige Ausbildung von Gneis-Geröllen beim Hochwasser 2002, z.B. im Tal der Wilden Weiseritz, zu ausgeprägter Dachziegellagerung führte (Gaitzsch et al. 2002, 67). Größere Gerölle neigen stärker zu Dachziegellagerung (vgl. Füchtbauer 1988a, 81; Hildebrandt 2000, 10). Sie war nach der Katastrophenflut vielerorts anzutreffen (vgl. Gaitzsch et al. 2002, 67, 70) und wird ebenso von früheren Überschwemmungen berichtet (z.B. Wagenbreth 1955, 331).

Im Unterschied zu wasserarmen Schlamm- und Trümmerströmen (Debris flows) blieben wegen der reichlichen Wasserführung im Müglitz-Flußbett Wasser und Sediment in zwei getrennten Phasen (s.u., „Rotliegendes“; vgl. Dreikluft 1996, 15). Dabei findet die Energieübertragung zwischen Wasser und Sedimentfracht durch enorme Turbulenzen statt; das führte zu einem rollenden und springenden Transport der grobkörnigen Komponenten an der Basis des transportierenden Stromes (vgl. Hildebrandt 2000, 9).

Ähnlich entstandene, grobkiesige Konglomerate werden aus dem Mittleren Buntsandstein der Nordeifel beschrieben. Die Gerölle können 20-40 cm Durchmesser aufweisen (Meyer 1994, 218; Abb. 4). Das „Auftreten katastrophaler Fluten“ bewirkte hier nach Mader (1985, 265, 278) „hochkonzentrierte Sedimentströme“; dabei wurden die groben Gerölle großenteils rollend am Rinnenboden verfrachtet, während das sandig-feinkiesige Sediment teilweise als Suspension (Aufschwemmung) befördert wurde. Während dieser „langen und teilweise extremen Turbulenzphasen“ bildeten Wasser und Sediment einen niedrigviskosen (dünnflüssigen) Dichtestrom (slurry) mit „erheblicher Sedimentsättigung“ und enormer Energie, aus dem bei nachlassender Transportkraft Gerölle und Sande abrupt und (weitgehend) unsortiert abgesetzt wurden (vgl. Wagenbreth 1955, 322f.). Gegenüber den zumeist gut abgerollten Geröllen im Buntsandstein sind jedoch die Grobkomponenten der Müglitz aufgrund des relativ kurzen Transportwegs im allgemeinen nur kantengerundet.

Abb. 4: Konglomerat im Mittleren Buntsandstein (Untere Trias) der Nordeifel. Die Gerölle sind schlecht sortiert, aber gut gerundet und erreichen hier über 30 cm. Hammer als Maßstab; links der Bildmitte. Kall, Kiesabbau.

Es besteht auch eine Ähnlichkeit dieser schlechtsortierten Ablagerungen mit manchen untermeerischen Grobsedimenten, die Deltahänge herabgleiten. Auch bei einem solchen hochenergetischen Sedimentstrom, der „an Geschwindigkeit verliert, erlöschen die Turbulenzen und die Sedimentationsausfällung verstärkt sich rapide“ (Linek 2000, 10). Im Müglitz-Flußbett handelt es sich aber um die Basis einer flußabwärts vorgebauten, länglichen (longitudinalen) Bank (Barre), wie sie für verwilderte Flußläufe typisch ist (Dreikluft 1996, 17).

Für einen mittleren Gerölldurchmesser von 16,5 cm gibt Mader (1985, 290) eine minimale Transportgeschwindigkeit von 2 m/sec an; doch transportierte die Müglitz noch erheblich größere Blöcke (Abb. 3). Gaitzsch et al. (2002, 66f) beschreiben, daß behauene Quader von 40-50 cm Kantenlänge beim Hochwasser 2002 im Tal der Wilden Weiseritz aus ihrem gemauerten Verband gelöst und verfrachtet wurden; dazu sind (bei einer Wassertiefe von 1-10 m) enorme Strömungsgeschwindigkeiten von 6-8 m/sec notwendig. Nach Füchtbauer (1988a, 75) befördert ein Fluß von 4 m Tiefe bei einer Geschwindigkeit von 5 m/sec noch Blöcke von nahezu 2 m Durchmesser trotz geringem Gefälle. Diese grobumrissenen Werte können eine Vorstellung von der Energie im Flußbett beim Müglitz-Hochwasser vermitteln.

Horizontalgeschichtete Sand-Kies-Wechselfolge mit Geröllen (2)

Abb. 5: Horizontalgeschichtete, etwa 1 m mächtige Sand-Kies-Wechselfolge mit Geröllführung (2). Östliches Müglitz-Ufer zwischen Glashütte und Oberschlottwitz. Strömung von rechts.

Die blockführende Basislage geht nach oben in eine ca. 30 cm mächtige horizontalgeschichtete Sandfolge gemischter Korngrößen über, die Feinkies (2-6,3 mm) bis Grobkies (2-6,3 cm) führt. Die Korngrößen nehmen gegenüber der Basislage also ab; auffallend ist der Umschlag in Horizontalschichtung. Die größeren Gerölle stützen sich nicht mehr gegenseitig ab, sondern „schwimmen“ regellos im Sand (Abb. 3).

Einige Dekameter flußabwärts stand der vom Bagger verschonte Rest einer Sedimentfolge an. Der etwa 1 m mächtig horizontalgeschichtete Sand bis Feinkies führt sowohl lagenweise als auch einzelne Mittel- und Grobkiese sowie Gerölle bis ca. 10 cm, die im Sediment „schwimmen“ (Abb. 5). Diese Sedimente ähneln der vorher beschriebenen horizontalgeschichteten Abfolge und werden damit versuchsweise parallelisiert.

Einige Meter flußaufwärts der Sand-Kies-Wechselfolge (siehe Abb. 3) war ein Sedimentpaket mit über 2 m Mächtigkeit erhalten (Abb. 1). Dieses Paket ist etwas abgerutscht (s.o., „Einführung“). Der untere, geröllführende Profilabschnitt (ca. 1,20 m mächtig) der verrutschten Sedimente kann etwa mit der 30 cm mächtigen Sand-Kies-Wechselfolge (Abb. 3) parallelisiert werden (s.o.). Denn beide Sedimentkörper werden aus horizontalgeschichteten, schlecht sortierten Sand- bis Mittelkies- (bis 2 cm) und untergeordnet Grobkieslagen aufgebaut; sie führen vereinzelt kantengerundete Blockkies-Gerölle (Abb. 1). In diesen Horizont ist auch ein Feinsedimentband aus Silt (0,002-0,063 mm) von ca. 2 cm eingeschaltet (Abb. 6; s.u.). Trotz mehrfachem Wechsel von gröberen und feineren Lagen wird das Sediment vom Liegenden zum Hangenden zunehmend feinkörniger, ist also insgesamt gradiert. Beide Abfolgen erinnern an Schichtflut-Sedimente, also katastrophisch entstandene Ablagerungen infolge extremer Sturzregenfälle. Als Erkennungszeichen gilt das gemeinsame Auftreten von Sanden und Kiesen sowie Horizontalschichtung (Haser 2000, 6f.). Hildebrandt (2000, 10) beschreibt von verzweigten Wildflüssen flußabwärts gerichteten Vorbau länglicher (longitudinaler) Sedimentbänke (Barren) mit Horizontalschichtung und Körngrößenverkleinerung nach oben. Sie wurden unter sehr hohen Transportgeschwindigkeiten gebildet; das trifft ebenso auf diese Müglitz-Ablagerungen zu. Horizontalschichtung und gemischte Korngrößen belegen ferner hochenergetisches oberes Strömungsregime; dabei ist die Strömungsgeschwindigkeit größer als die Grundwellengeschwindigkeit des Wassers (Füchtbauer 1988a, 82; Dreikluft 1996, 23-27).

Abb. 6: Ausschnitt aus Abb. 1: Der Grobsand im Liegenden (unterer Bildrand) geht nach oben in Mittel- und Feinsand und dann in ein Siltband von ca. ca. 2 cm über. Siltkörner (0,002-0,063 mm) sind mit bloßem Auge nicht mehr erkennbar. Darüber setzt eine Grobsand-Schüttung mit viel Fein- und teilweise Mittelkies ein (bis 2 cm). Taschenmesser als Maßstab; Strömung von rechts.

Rätselhafte Grob-Fein-Bänderung. Wie erklärt sich aber der Wechsel von Feinkies-, ja sogar Grobkies-Bändern (samt darin „schwimmenden“ Geröllen) mit Sandlagen und sogar einem eingeschalteten Silthorizont (Abb. 6)? Auf diesen Befund könnte – zumindest teilweise – durch experimentelle Studien von Julien et al. (1993) Licht fallen; allerdings sind die Ablagerungen im Müglitz-Flußbett gröber und die Transportgeschwindigkeit(en) war(en) zweifellos höher. Die Sedimentologengruppe (Julien et al. 1993, 653-658) konnte ermitteln: Im Strömungskanal werden bei konstanter, gleichmäßiger Wassergeschwindigkeit z.B. Sande gemischter Korngrößen sortiert und erstaunlicherweise gleichzeitig als grobkörnige und feinkörnige horizontale Feinschichten übereinander abgesetzt. Der Vorgang läuft so ab: Gröbere Korngrößen werden auf der Sedimentoberfläche (die aus feinen Korngrößen besteht) stromabwärts transportiert, bis sie am Ende (sozusagen am „Fuß“) der grobkörnigen Schicht abgelagert werden. Die durch die Strömung mittransportierten feineren Korngrößen rieseln gleichzeitig überall durch die Lücken zwischen den rollenden, groben Sandpartikeln nach unten; dort – also unter der grobkörnigen Lage – werden sie gleichzeitig als feinkörnige Schicht abgesetzt. Obgleich also feinkörnige und grobkörnige Feinschichten übereinander zur Ablagerung gelangen, werden sie gleichzeitig gebildet1. Bei Fortgang des Prozesses entstehen auf diese Weise im Strömungskanal zahlreiche Grob-Fein-Lagen nacheinander. Julien et al. (1993, 649, 658) wenden die Entstehung dieser grob-feinen Strömungskanal-Sande auf vergleichbare Sedimente an, die 1965 beim Hochwasser des Bijou Creek (Colorado, USA) abgelagert wurden (McKee et al. 1967).

Auch bei einem einheitlichen, zusammenhängenden Sedimentationsablauf kann es also zu abrupten Korngrößenwechseln kommen. Selbst die Ablagerung eines (feinkörnigen) Siltbandes muß keine geringen Transportenergien anzeigen; im Müglitz-Flußbett wurde es im hochenergetischen oberen Strömungsregime inmitten der Sand-Kies-Wechselfolge abgesetzt (auch die experimentellen Feinschichten von Julien et al. [1993, 658] bildeten sich im oberen Strömungsregime). Das mahnt zur Vorsicht angesichts der Tendenz, feinkörnige Sedimente der Erdgeschichte niedrig-energetischen Bildungsmilieus zuzuweisen und als langsam gebildet zu deuten. Ebenso problematisch kann es sein, Abfolgen von Sedimentgesteinen mit abrupten Korngrößenwechseln in zeitlich (weit) voneinander getrennte Einzelereignisse aufzugliedern.

Abb. 7: Oberer Abschnitt der Müglitz-Sedimentfolge (vgl. Abb. 1). Im Bereich des Hammerkopfes (unten) der obere Abschnitt der gröberen Sand-Kies-Wechselfolge (2), die neben dem oberen Teil des Hammerstiels in die Sand-Feinkies-Abfolge übergeht (3). Darüber „kletternde Rippeln“, die nach links oben (flußabwärts) vorgebaut wurden (4). Strömung von rechts.
Horizontalgeschichtete Sand-Feinkies-Wechselfolge (3)

Über der Sand-Grobkies-Wechsellage folgen ca. 30 cm mächtige schlecht sortierte, horizontalgeschichtete Sande verschiedener Korngrößen, die noch Feinkies führen (Abb. 1). Diese Abfolge ist ebenfalls noch hochenergetisch und im oberen Strömungsregime entstanden (s. letzten Abschnitt; Miall 1985b, 286; Füchtbauer 1988b, 781f.; Dreikluft 1996, 27f.; Junghans et al. 1997, 303-309; Ricken et al. 1998, 81-84; Graf 2000, 128; Gehrmann & Aigner 2002, 385). Sie ähnelt – abgesehen von der Feinkiesführung – der horizontalgeschichteten Sandbank zwischen Weesenstein und Dohna (Stephan 2003, 53-55).

Rippelgeschichtete Sande (4)

Auch im Flußbett der Müglitz geht (wie zwischen Weesenstein und Dohna) der horizontalgeschichtete Sand nach oben in eine ca. 15 cm mächtige Lage aus kletternden Rippeln (climbing ripples) über (Abb. 1). Kletternde Rippeln haben keine internen Abtragungsflächen (Erosionsflächen) mehr; vielmehr wird ausschließlich abgelagert. Diese Rippeln wurden jedoch – im Unterschied zu der im ersten Teil des Artikels (Stephan 2003, 53-56) beschriebenen Sandbank – stromabwärts (leeseitig) hoch- und vorgebaut (Abb. 7). Das belegt immer noch reichlichen, aber nachlassenden Sedimenttransport (Reineck 1984, 42-44). Rippeln bilden sich nach Füchtbauer (1988b, 787-791) ausschließlich in kleineren Korngrößen wie Grobsilt, Fein- und Mittelsand (0,03-0,6 mm). Strömungsrippelschichtung entsteht nur im niedriger-energetischen unteren Strömungsregime (die Strömungsgeschwindigkeit ist dabei kleiner als die Grundwellengeschwindigkeit des Wassers). Insgesamt sprechen diese Befunde für eine Ablagerung unter weiter fallendem Energieniveau (Miall 1985b, 287; Junghans et al. 1997, 303-309; Ricken et al. 1998, 81-84; Graf 2000, 128; Keller 2000, 70f.; Gehrmann & Aigner 2002, 399).

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Vergleich mit Grobschüttungen der Erdvergangenheit

Ein Vergleich von Sedimentgesteinen der Erdgeschichte mit Hochflut-Ablagerungen der Müglitz, die den Einheiten (3) und (4) ähneln, wurde bereits im ersten Teil des Artikels durchgeführt (Stephan 2003, 56-58). Daher konzentriert sich dieser Abschnitt auf fossile Parallelen zu den Sedimentkörpern (1) und (2).

Steinkohlengebirge (Oberkarbon)

Abb. 8: Die gut gerundeten Gerölle des schlechtsortierten Holzer Konglomerats können mehrere Dezimeter Durchmesser aufweisen. Hammer als Maßstab. (Oberkarbon, Grenze Westfal-Stefan-Stufe). Böschung 300 m westlich Holz (bei Saarbrücken).

Holzer Konglomeratzone. Diese Grobschüttung im flözführenden Oberkarbon des Saarlandes erreicht bei der namengebenden Ortschaft Holz eine Gesamtmächtigkeit von rund 50 m (Abb. 8). Zwischen Riegelberg und Holz wurde folgender Aufbau festgestellt: Unten ein etwa 10 m mächtiges Konglomerat mit Geröllen bis 40 cm, darauf folgen 20-25 m Sandsteine und sandige Tonsteine, und darüber wieder 8-10 m Konglomerat mit Geröllen bis 30 cm (Klinghammer & Konzan 1970, 43). Wie aus dem Steinkohlenbergbau und aus Bohrungen bekannt ist, wechseln Gesamtmächtigkeit, Geröllführung und Aufbau der Konglomeratzone erheblich (Klinghammer & Konzan 1975, 44f.). Sie hat aber eine großflächige Verbreitung im Saarland und reicht bis weit ins ostfranzösische Lothringen (Schneider 1991, 30). „Auffallend an dieser Grobschüttung ist die weite laterale [seitliche] Erstreckung“ (Engel 1988, 19). Mancherorts bleiben die Gerölle unter 10 cm, sehr oft erreichen sie jedoch mehr als Kopfgröße; es wurden sogar Blöcke bis zu 90 cm Durchmesser beschrieben. Die Gerölle sind allgemein gut gerundet und bestehen zu 97% aus Quarzit. „Die Sortierung ist sehr schlecht“ (Klinghammer & Konzan 1975, 43; vgl. Schneider 1991, 30), das heißt, Gerölle verschiedenster Größe liegen wirr durcheinander. Das Konglomerat soll aus dem Raum des heutigen Hunsrück geschüttet worden sein; dafür spricht, daß die Gerölle keine Unterschiede zu den dort anstehenden Quarziten aufweisen (unterdevonischer Taunusquarzit). Andere Komponenten (kristalline Gerölle, quarzitische Schiefer und Kieselschiefer) sind nur schwach vertreten. Zu ihrer Herkunft gibt es Vermutungen; sie dürften aus anderen Richtungen herantransportiert worden sein (Schneider 1991, 31). Bezüglich der schlechten Sortierung besteht eine gewisse Ähnlichkeit mit der blockführenden, geröllreichen Basislage im Müglitz-Flußbett (s.o., „Beschreibung...“).

Das Holzer Konglomerat entstand bei einer „Naturkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes“.

Engel (1988, 18f.) diskutiert die Entstehung der Holzer Konglomeratzone. Danach habe ein „stärker strömender Fluß“ seine groben Gerölle herangeführt. Engel widerspricht der ebenfalls vertretenen These, das Konglomerat gehe auf einen Schutt- bzw. Trümmerstrom (Fanglomerat; Debris flow) zurück. Denn es stelle keinen homogenen Konglomeratkomplex dar, sondern bestehe aus Wechsellagerungen von Sandsteinen und Konglomeraten. Das ist sicher zutreffend (s.o.). Für die Entstehung in einem verzweigten Wildflußsystem spricht die weite Verbreitung des Konglomerats, die gute Zurundung und der Restschotter-Charakter der Gerölle. Das heißt, sie bestehen fast nur noch aus Quarzit; nahezu nur das harte Mineral Quarz hat den weiten Transport überstanden. Dieser Befund weist auf überwiegend rollenden und springenden Transport in Flüssen hin, etwa so, wie Mader (1985; s.o.) es für die Konglomerate des Buntsandsteins der Nordeifel beschreibt. An dieser Stelle liegt ein relativer Vorzug der Wildfluß-Hypothese gegenüber der Schuttstrom-Deutung. Allerdings: Die große geographische Verbreitung des Holzer Konglomerats legt enorme Dimensionen und Energien nahe, die das Maß heutiger verzweigter Wildflüsse deutlich sprengen dürfte. Das wird auch für die verursachenden Sturzregenfälle gelten.

Abb. 9: Aus einer Felswand herabgestürzter Gesteinsblock, der hauptsächlich aus groben, eckigen (brekziösen), schlecht sortierten Schuttkomponenten besteht. Es handelt sich um Ablagerungen enormer Schuttströme. Buch als Maßstab (Unteres Perm, Oberes Rotliegendes, Waderner Schichten). Mettlach/Saarschleife (Saarland), Weg zur Lutwinuskapelle.

Wahrscheinlich stellt die Bildung der Holzer Konglomeratzone eine Abfolge von katastrophischen Ereignissen dar, die partiell auch Ähnlichkeiten mit Schuttströmen, besonders aber mit Extremflut-Ereignissen verzweigter Wildflüsse hat. Die Formulierung von Weingardt (1975) kommt der Realität nahe; danach stellt die Ablagerung des Holzer Konglomerats eine „Naturkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes“ dar. Die Gesamtdimension der Entstehung in ihrem exzessiven Ausmaß dürfte sich jedoch mit keinem der genannten Modelle hinreichend erklären lassen.

Rotliegendes (Unterperm)

Schuttströme der Waderner Schichten. Diese Schichtenfolge bildet den unteren Teil des oberen Rotliegenden, die im Saar-Nahe-Gebiet eine weite Verbreitung haben. Sie sind dort grobkörnig, die einzelnen Gerölle eckig (brekziös; Abb. 9) oder stärker gerundet. Ihre Entstehung wird auf episodisch ablaufende, teils flächenhafte, teils lineare Abtragung von Schuttmassen zurückgeführt. Diese häuften sich am Fuß von Anhöhen an und wurden dann durch extreme Starkregenfälle von „alles niederwalzenden“ Schuttströmen (Haubold et al. 1982, 61) in die Niederungen verfrachtet und dort in Form großer Schwemmfächer ausgebreitet (Schneider 1991, 50f., 86). Wenn die Komponenten stärker gerundet sind, dürften sie in fließendem Wasser verfrachtet worden sein (Abb. 10; vgl. Dreikluft 1996, 20).

Abb. 10: Konglomerat mit z.T. groben Blöcken (bis ca. 50 cm, neben dem Hammer). Die Gerölle der Waderner Schichten sind auch hier sehr schlecht sortiert, aber besser gerundet; sie wurden offenbar in strömendem Wasser transportiert. Eiweiler (nördl. Saarland).

Die blockführende, geröllreiche Basislage im Müglitz-Flußbett zeigt eine stärkere Ähnlichkeit mit den Komponenten von Schuttströmen. Letztere sind aufgrund weniger häufiger Umlagerung, kürzerer Transportwege und „schonender“, nicht-rollender Verfrachtung des kompletten Schuttstroms zumeist eckig oder nur kantengerundet (= brekziös). Denn im Unterschied zu Flüssen ist das Wasser in Schutt- und Trümmerströmen (Debris flows) an die Sedimentpartikel gebunden; alles bewegt sich etwa mit gleicher Geschwindigkeit als zähflüssiger (viskoplastischer) Körper (Dreikluft 1996, 15; Haser 2000, 5f.). Die Müglitz-Basislage ist allerdings eine Flußablagerung, bei der Wasser und Sediment nicht eine, sondern zwei Phasen bilden (s.o., „Beschreibung...“). Aber der Transportweg war zu kurz, um die rollend und springend als Bodenfracht transportierten Blöcke und Gerölle zu runden (vgl. Hildebrandt 2000, 9f.). In jedem Fall steht die Gewaltsamkeit und Schnelligkeit des Transports und der Ablagerung sowohl von Schuttströmen (etwa der Waderner Schichten) als auch von grobkörnigen Flußsedimenten (wie der Müglitz-Basislage) außer Zweifel.

Buntsandstein (Untertrias)

Abb. 11: Grob-Fein-Wechselfolge im Mittleren Buntsandstein der Nordeifel: Das Konglomerat in Bildmitte (etwa 1,20 mächtig; über dem Hammer) geht nach oben in schlecht sortierten, horizontalgeschichteten Sandstein gemischter Korngrößen über, in dem einzelne Kiesgerölle „schwimmen“. Felsen am Denkmal Eisernes Kreuz bei Kall.

Grobschüttungen (Konglomerate) des Mittleren Buntsandsteins. Die Entstehungsverhältnisse der blockführenden Basis-Gerölllage im Müglitz-Flußbett wurde bereits mit den Entstehungsbedingungen der Nordeifeler Buntsandstein-Konglomerate verglichen (s.o., „Beschreibung...“). Ebenso gibt es dort Parallelen zur Sand-Grobkies-Wechselfolge im Müglitz-Flußbett. Es können Abfolgen beobachtet werden, in denen Konglomerate in horizontalgeschichtete, kiesführende Sandsteine übergehen (Abb. 11; vgl. Abb. 3).

Die Entstehungsbedingungen der Buntsandstein-Konglomerate lassen teilweise einen Vergleich mit dem Müglitz-Hochwasser zu. Allerdings darf ihre große flächenhafte Verbreitung nicht außer acht gelassen werden. Die Gerölle wurden in breiter Front vom heutigen Frankreich her (wohl hauptsächlich aus dem Areal des Zentralmassivs) ins Germanische Buntsandstein-Becken geschüttet (vgl. Mader 1985, 266f., 365; Meyer 1994, 214-221). Solche geographischen Dimensionen können mit heutigen verzweigten Wildflüssen kaum verglichen werden.

Um das nötige Gefälle zum Transport der großkalibrigen Gerölle zu erhalten, nimmt Mader (1985, 296, 298) eine tektonische Hebung der westlichen Randzonen des Buntsandsteinbeckens zur Zeit der Konglomerateinschüttungen an. Nach Trunko (1984, 13) ist jedoch diese Vorstellung nicht frei von Widersprüchen. Denn obwohl die Beckenränder herausgehoben worden sein sollen, greifen die Schichten des Mittleren Buntsandsteins auf eben diese Ränder über. Zwar deuten Unterschiede in der Mächtigkeit des Eifeler Buntsandsteins darauf hin, daß im Westen das Gebiet (etwas) höher lag (Meyer 1994, 214); aber die Ansicht Trunkos (1984, 13) dürfte zutreffen: „Viel wahrscheinlicher ist jedoch, daß die Menge des zur Verfügung stehenden Wassers eine große Rolle spielte“. Das heißt, für den Eintransport der Konglomerate ist weniger eine Zunahme des Gefälles als vielmehr extreme Starkniederschläge verantwortlich. Parrish (1999, 37) nimmt für den einheitlichen Superkontinent Pangaea während der Buntsandstein-Zeit einen extrem niederschlagsreichen „Mega-Monsun“ mit „heftigen Niederschlägen“ und „katastrophalen Überflutungen“ an.

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Ausblick

Die hier beschriebenen Hochflut-Ablagerungen im Flußbett der Müglitz sind erdgeschichtlichen Grobsedimenten sehr ähnlich. Das ist ein weiterer Beleg für deren rasche Entstehung. Im Unterschied zu vielen heutigen Ablagerungen, die sich unter katastrophischen Bedingungen ereignen, können Grobschüttungen der Erdgeschichte jedoch viel enormere geographische Ausdehnungen erreichen (z.B. die Holzer Konglomeratzone). Wenn schon die Wassermassen bei der Augusthochflut 2002 im Erzgebirge eine „bis dahin kaum vorstellbare Energie“ entwickelten (Gaitzsch et al. 2002, 61), dann ist es eine wichtige Aufgabe, künftig vermehrt in größeren Dimensionen zu denken und detailliert Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen damaligen und heutigen katastrophischen Ablagerungsprozessen herauszuarbeiten.

Dank: Mein besonderer Dank gilt Dipl.-Geol. Dr. Martin Ernst für seine Initiative beim Erkunden der Sedimente und das kritische Lesen des Manuskripts. Ihm und Christian Dreber danke ich darüber hinaus für Diskussionen im Gelände. Dipl.-Geol. Achim Zimmermann sage ich ebenso herzlichen Dank für wertvolle Hinweise zum Manuskript. Auch bei Dr. Reinhard Junker möchte ich mich für vielfältige Hilfen herzlich bedanken. SDG.

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Anmerkung

1 In Kurzvideos verdeutlicht P.Y. Julien diese – zunächst nicht leicht verständliche – Ablagerungsweise anhand der Strömungskanal-Experimente. Die Videos können über die Zusammenfassung der sedimentologischen Studien/Abstract von G. Berthault (Mitautor von Julien): Major stages of the laboratory research: 2. Stratification geöffnet werden: http://geology.ref.ac/berthault/fusion/stratification.htm (Stand 09.03.2004)

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Studium Integrale Journal 11. Jg. Heft 1 - April 2004