Spätere Bearbeiter wiesen diese Mischung an Merkmalen auch bei anderen zeitgleichen Formen aus China nach (Wu et al. 1995). Letztere vergaben aufgrund der Mixtur an Merkmalen aus den Wirbeltiergruppen Crocodilia und Mammalia (Säugetiere) diesen Funden den Namen Chimaerasuchus paradoxus. Auch hier war die herausragende Besonderheit das Vorkommen von mehrhöckrigen "Backenzähnen" im hinteren Teil der Kieferregion. Wu et al. (1995) spekulierten sogar darüber, ob diese Krokodilart nicht gänzlich auf Fleisch als Nahrung verzichtet habe und sich rein pflanzlich ernährte. Diese Folgerung basiert allerdings einzig auf der besonderen Zahnform und ist ohne belegten fossilen Mageninhalt oder ausgeschiedenen Nahrungsresten (Koprolithen) nicht schlüssig nachzuvollziehen.
Gomani (1997) beschrieb die Krokodilreste aus Malawi erneut und benannte sie als Malawisuchus mwakayungutiensis im Hinblick auf den Fundort. Die größte Ähnlichkeit mit anderen Krokodilen fand Gomani im Vergleich mit einer nur fossil bekannten Krokodilfamilie - die Notosuchiden, eine fast ausschließlich auf die Südkontinente beschränkte Gruppe. Gomani stellte fest, daß Malawisuchus mit einer Schädellänge von maximal 10 cm und einer geschätzten Maximallänge des Körpers von 60 cm ein sehr kleiner Vertreter einer überaus spezialisierten Krokodil-Gruppe war.
Die "Backenzähne" von Malawisuchus sind nach Clark et al. (1989) und Gomani (1997) Anzeichen einer beginnenden Zerkleinerung der Nahrung durch das Gebiß, wie man sie in dieser Art und Weise von den heutigen Krokodilen nicht kennt. Weitere Besonderheiten stellten die Autoren mit dem Überbiß (vgl. Abb. 1) und dem Bau des Kiefergelenks fest, welches neben einer scharnierartigen Auf-und-ab-Bewegung auch eine Bewegungsrichtung nach vorne und hinten zuließ. Daraufhin rekonstruierte Gomani (1997) die Kiefermuskulatur von Malawisuchus derart, daß die Autorin auf ein Beutespektrum aus Insekten, Amphibien und Schnecken folgerte.
Weiterhin weist der schlanke Bau der Extremitäten laut Gomani (1997) auf eine rein terrestrische (landlebende) Lebensart hin, also entgegen vieler heutiger amphibisch lebender Krokodile.
Eine besondere Annahme lieferte Gomani (1997) mit der Vorstellung, daß Malawisuchus eine grabende Lebensweise besessen haben soll. Hinweise dafür sah sie im Bau der Hals- und Schädelregion, welche die Rekonstruktion einer kräftigen Halsmuskulatur zuließ. Außerdem sollen die sedimentären Strukturen der Fundschicht und die Lage der Fossilexemplare verschüttete Grabgänge belegen. Damit wäre Malawisuchus eine kleinwüchsige, kurzschnauzige Krokodilform, die vorwiegend mit dem Kopf vorwärts grabend in der Nähe von Flussläufen lebte. Die Argumentation scheint auf den ersten Blick schlüssig, doch müssen die Ergebnisse durch zukünftige detailliertere Untersuchungen zur Biomechanik dieser Krokodil-Konstruktion noch abgesichert werden.
Abb. 2: Schädel von Thrinaxodon. Bei diesem spezialisierten säugetierähnlichem Reptil ist die Gebißspezialisierung ähnlich wie bei echten Säugetieren und Malawisuchus ausgebildet (verändert nach Carroll 1988)  |
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Malawisuchus erweist sich morphologisch einer anderen fossilen Reptil-Gruppe sehr ähnlich - der säugetierähnlichen Reptilien oder Therapsiden. Mit dem erdgeschichtlich älteren Thrinaxodon, einem postulierten Vorläuferstadium der Säugetiere, gibt es einige oberflächliche Gemeinsamkeiten, wie z.B. die Gebißspezialisierung, die geringe Körpergröße und die kurze Schnauze (Abb. 2). Vielleicht weist dies jedoch nur auf eine übereinstimmende Lebensweise hin, die sich in der Morphologie manifestierte, ohne einen Hinweis auf stammesgeschichtliche Zusammenhänge zu liefern.
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Kladismus: Eine Methode, die aufgrund einer Merkmalsanalyse und einer anschließenden Wertung der Merkmale in "ursprünglich" und "abgeleitet" die stammesgeschichtliche Position des untersuchten Naturgegenstandes im System der Organismen herausfinden möchte. Gemeinhin wird dies mit dem Verwandtschaftsbegriff in Zusammenhang gebracht. Grundannahme ist die Vorstellung, daß sich aus einer Ursprungsart zwei Folgearten entwickeln. Hierbei kann die Ursprungsart aussterben, muß aber nicht.
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Wie ist aber zu erklären, daß in einer Krokodilfamilie wie den Notosuchiden, die gemeinhin als ein Zweig der "primitiven" Vorkrokodile betrachtet wird (Benton & Clark 1988, Clark 1994) so spezialisierte und - nach der Argumentation der Kladisten - fortschrittliche Formen entstanden sind? Die von Clark et al. 1989, Wu et al. 1995 und Gomani 1997 angefertigten kladistischen Analysen zum Aufzeigen von "Verwandtschaften" zwischen Malawisuchus und ähnlichen Krokodilen verwirren in dieser Hinsicht angesichts der Vielzahl an vorgestellten "Stammbäumen" (Kladogrammen) nur (Abb. 3). Leider wird methodisch auch in diesen wichtigen Arbeiten der Schwerpunkt auf die phylogenetisch-systematische Interpretation gelegt, wobei stets das Ziel war, Verwandtschaftsbeziehungen zu ermitteln. Nach Herkner (1999) und Rossmann (in Vorbereitung) ist diese Interpretation methodisch stark zu hinterfragen. Die Frage nach den Zusammenhängen zwischen den verschiedenen Krokodiltypen der Kreidezeit bleibt letztlich ungeklärt, wie auch der Grund nach dem offensichtlichen Verschwinden dieser interessanten Gruppe zum Ende der Unteren Kreide hin.