Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 5. Jg. Heft 2 - Oktober 1998


Datierung mittels Radiokarbon (14C)
Teil IIa: Die Kalibrierung von 14C-Altern. Grundlagen. Die nordamerikanischen Borstenkiefernchronologien. (s.a. Teil I, IIb, III)

von Uwe Zerbst

Studium Integrale Journal
5. Jahrgang / Heft 2 - September 1998
Seite 57 - 69



In Teil I des vorliegenden Aufsatzes (letzte Ausgabe) wurde auf das Problem der Isotopenverschiebung hingewiesen, das eine nachträgliche Korrektur der Rohdaten der 14C-Datierung nötig macht. Diese gewöhnlich als Kalibrierung bezeichnete Korrektur erfolgt durch den Vergleich der "14C-Alter" mit den wirklichen oder kalendarischen Altern. Im Folgenden sollen die wichtigsten Verfahren dargestellt werden, mit deren Hilfe Kalibrierkurven aufgestellt worden sind. Aufgrund ihrer überragenden Bedeutung nimmt dabei die Dendrochronologie, die Ermittlung kalendarischer Alter über das Auszählen von Jahrringen in Bäumen, eine besondere Stellung ein. In Teil IIb werden weitere Verfahren kurz vorgestellt.

Der bereits angedeutete Konflikt zwischen archäologischer und 14C-Datierung ist seiner Natur nach im Wesentlichen ein Konflikt zwischen Archäologie und Dendrochronologie. Vertreter der Baumringdatierung nehmen dabei gelegentlich den Standpunkt ein, daß ihrer Disziplin gegenüber der archäologischen Datierung unbedingt Vorrang einzuräumen sei. Begründet wird dies mit den sehr viel genaueren Altersangaben (die Dendrochronologie ermöglicht Datierungen auf ein Jahr genau) und mit der geringeren Menge an Zusatzannahmen bei der Erstellung einer Chronologie.

Als außerordentlich wichtiges Argument wird die sehr hohe Sicherheit der dendrochronologischen Methode hervorgehoben. Fehler seien praktisch ausgeschlossen, da verschiedene unabhängig entstandene Standardchronologien miteinander in Übereinstimmung seien (Baillie 1990, 1995). Der vorliegende Aufsatz geht diesem Argument nach und untersucht dabei insbesondere, inwieweit die verschiedenen Chronologien tatsächlich als unabhängig betrachtet werden können. Während Teil IIa seinen Schwerpunkt auf den Grundlagen der dendrochronologischen Datierung hat, wird sich Teil IIb v.a. mit einer detaillierteren Diskussion der gegenseitigen Wechselbeziehungen der derzeit existierenden Langzeitchronologien befassen und die Frage nach der Unabhängigkeit der Datierungsmethoden aufwerfen.





Grundbegriffe der Dendrochronologie

Abb. 13: Beispiele für die Ausbildung von Jahrringen. Links Fichte, rechts Buche (nach Klein & Eckstein 1988)

Abb. 13

Der Begriff "Dendrochronologie" geht auf den Begründer der Wissenschaftsdisziplin, den amerikanischen Astronomen Andrews Elliot Douglas (1867-1962) zurück und ist aus den griechischen Ausdrücken dendron (Baum), chronos (Zeit) und logos (Lehre) zusammengesetzt. Douglas hatte gehofft, eine Korrelation zwischen der zeitlichen Abfolge der Baumringbreite als irdischem Klimaindikator und dem elfjährigem Zyklus der Sonnenflecken aufzeigen zu können (vgl. Becker 1992).

Grundprinzip. Das Alter eines Baumes kann sehr einfach durch Abzählen seiner Baumringe bestimmt werden. Das setzt natürlich voraus, daß in jedem Lebensjahr genau ein neuer Ring gebildet wird, was auf der Erde nur in den gemäßigten Zonen mit ihrem regelmäßigen jahreszeitlichen Wechsel zwischen Winterruhe und Vegetationszeit der Fall ist. In jedem Frühjahr wird das unter der Rinde gelegene teilungsfähige Gewebe, das Kambium, aktiviert und bildet eine neue Holzschicht, die gleich einem Mantel den Baum von der Krone bis zur Wurzel umhüllt. Das neugebildete Gewebe unterscheidet sich farblich und strukturell deutlich von dem im weiteren Jahresverlauf wachsenden Spätholz (Abb. 13). Früh- und Spätholz bilden zusammen bis zum Ende der Vegetationsperiode einen Jahrring, der dann im folgenden Jahr durch einen weiteren Ring ergänzt wird usw. Eine allgemeinverständliche, ausführlichere Darstellung findet sich bei Klein & Eckstein (1988).

Abb. 14: Übereinstimmung der Ringsequenzen in verschiedenen Proben. Die Pfeile kennzeichnen das Jahr 1580 n. Chr. (Sammlung Trinity College, Dublin, nach Baillie 1982)

Abb. 14

Entspricht die Zahl der Ringe dem Alter des Baumes, so widerspiegelt die unterschiedliche Breite der Ringe die Umweltbedingungen in den Jahren, in denen sie gebildet wurden. Ein wichtiger Faktor ist die Kombination aus der Niederschlagsmenge und der Temperatur. Hinsichtlich der Eignung für die Dendrochronologie unterscheidet man zwischen sensitiven (engl. sensitive) und ausgeglichenen (engl. complacent) Wachstumsstandorten. Sensitive Standorte sind z.B. alpine oder polare Baumgrenzen oder Baumgrenzen beim Übergang von einer gemäßigten in eine Wüstengegend. Ein Baum, der unter derart extremen Bedingungen wächst, reagiert sehr empfindlich auf temporäre Veränderungen seiner Umwelt wie Dürreperioden, Kälteeinbrüche u.ä. Entsprechend variabel ist die Abfolge der Jahrringbreiten: ist die Witterung in einem Jahr günstig, so wird die Ausbildung eines breiten Ringes gefördert, ist sie ungünstig, so reicht es nur für einen schmalen Zuwachs. Über Knospenanlage und Reservestoffbildung wirkt sich aber in der Regel die Witterung der zurückliegenden Jahre als ausgleichender Faktor aus (Fritts 1966; LaMarche 1974). Im Ergebnis dieser Einflüsse entsteht mit der Zeit ein charakteristisches Muster der Jahrringbreiten, das allen Bäumen eines Standortes gemeinsam ist (Abb. 14) und das eine notwendige Voraussetzung für die Methode der Dendrochronologie ist. Nur bei einem solchen Muster können verschieden alte Baumringsequenzen einander zeitlich zugeordenet werden. Dies geschieht durch partielle Überlappung in Bereichen in denen die Sequenzen dasselbe Muster der Jahrringbreiten aufweisen. Anders als an sensitiven Standorten reagieren Bäume an ausgeglichenen Standorten sehr viel gedämpfter auf temporäre Klimaschwankungen. Ergebnis ist eine gleichmäßige Abfolge von Ringbreiten, was diese Bäume für Datierungszwecke weithin unbrauchbar macht.

Ein statistisches Maß für die Eignung einer Ringsequenz für Datierungszwecke ist die sog. Sensitivität (S). Aus der jährlichen Sensitivität Si+1

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kann eine mittlere Sensitivität S

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Abb. 15: Anzahl der "fehlenden" Ringe in Abhängikeit von der mittleren Sensitivität S: Statistische Auswertung an 18 Borstenkiefern des "Methusalem-Pfades". Bei der Auswertung mehrerer Radien kann ein großer Teil der "fehlenden" Ringe nachträglich aufgefunden werden. (nach Ferguson 1969, Tab. 1)

Abb. 15

bestimmt werden, die dann besonders groß ist, wenn sich die Ringbreiten innerhalb der Sequenz zu verschiedenen Zeiten stark voneinander unterscheiden. Eine große mittlere Sensitivität bedeutet also eine gute Eignung für dendrochronologische Zwecke. Diese Aussage trifft aber nur bis zu einem bestimmten Grad zu. Das Problem besteht darin, daß mit zunehmender Sensitivität die Wahrscheinlichkeit "fehlender Ringe" (engl. missing rings) zunimmt (Abb. 15).

Fehlende Ringe sind ein Artefakt, der sich aus der Art und Weise der Probennahme in der Dendrochronologie ergibt. Ringsequenzen werden nur selten auf dem gesamten Querschnitt eines Baumstammes oder Balkens ausgemessen, was ja zur Zerstörung des entsprechenden Objektes führen würde. In der Regel werden Proben als Bohrkerne entnommen. Wird in einem Jahr nur ein sehr schmaler Ring angesetzt, so steigt damit zugleich die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Ring nicht geschlossen um den ganzen Stamm ausgebildet wird. Trifft der Hohlbohrer gerade auf eine Region, in der kein Ringwachstum erfolgt ist, so taucht in der Sequenz an dieser Stelle kein Ring auf, obwohl er an einer anderen Stelle des Umfanges vorhanden ist. Das Problem der "fehlenden" Ringe bestand insbesondere für die nordamerikanischen Borstenkiefernchronologien. Die Wahrscheinlichkeit, fehlende Ringe nachträglich aufzufinden, nimmt durch Mehrfachentnahmen von Bohrkernen an verschiedenen Stellen des Umfangs des Stammes zu, da beim Vergleich mehrerer Sequenzen Stellen fehlender Ringe identifiziert werden können. An diesen Stellen wird dann ein Ring mit einer Breite von null nachträglich eingeführt. Obwohl dieses Verfahren bei weniger geeigneten Sequenzen mit einem nicht unerheblichen subjektiven Faktor verbunden sein kann – entscheidend ist letztlich die persönliche Erfahrung des Untersuchenden – wurde es bei der Erstellung der Borstenkiefernchronologien relativ häufig angewendet (Ferguson 1969). In einer Einzelsequenz hat ein fehlender Ring gerade einen Datierungsfehler von einem Jahr zur Folge, für die Kreuzkorrelation (s. .) zwischen verschiedenen Sequenzen kann die Folge aber katastrophal sein. An extremen Standorten der kalifornischen Borstenkiefer (s.u.) sind mehr als 10% fehlender Ringe nachgewiesen worden, was die Nutzung der entsprechenden Baumreste für die Chronologienbildung praktisch unmöglich machte.

Chronologiebildung

Herzstück der Methode der Dendrochronologie ist die sog. Standardchronologie (engl. master chronology), bei der die Ringbreiten für einen längeren Zeitraum über der Zeit ihrer Entstehung aufgetragen sind. Eine Standardchronologie ist auf eine bestimmte Baumart und einen bestimmten Standortbereich begrenzt. Die Datierung eines hölzernen Artefakts, etwa eines Balkens in einem alten Bauwerk, erfolgt durch Übereinanderschieben der entsprechenden Jahrringsequenzen von Probe und Standardchronologie. Kann die Sequenz der Probe, d.h. die charakteristische Abfolge der Ringbreiten, in einem bestimmten Abschnitt mit der Standardchronologie zur Deckung gebracht werden, so ergibt sich aus der Lage des Abschnittes das dazugehörige Alter.


Abb. 16: Prinzip der dendorchonologischen Datierung (am Beispiel eines Eichenholzes). Die zu datierende Probe (oben) wird mit den zeitgleichen Abschnitt der Standardchronologie (unten) zur Deckung gebracht. (nach Klein & Eckstein 1988)

Abb. 16

Ein Beispiel ist in Abb. 16 wiedergegeben. Selten ist die Übereinstimmung der Sequenzen so gut wie in diesem Beispiel. In der Realität werden die Muster der Jahrringbreiten zweier gleichalter Bäume, beeinflußt durch verschiedenste lokale Faktoren, mehr oder weniger stark voneinander abweichen. Das Einpassen der Probesequenz in eine Standardchronologie ist darum immer auch ein statistisches Problem (s.u.). Die Zuverlässigkeit einer dendrochronologischen Datierung nimmt mit dem Auftreten seltener, extremer Jahrringbreiten zu.


Abb. 17: Entstehung einer Standardchronologie durch Überlappung von Teilsequenzen unterschiedlichen Alters. (nach Schweingruber 1983)

Abb. 17

Die Erstellung einer Standardchronologie funktioniert nach demselben Prinzip wie die Datierung einer Probe. Es ist in Abb. 17 wiedergegeben. Eine Standardchronologie entsteht durch das Überlappen unterschiedlich alter Teilstücke. Kann man für die jüngeren Abschnitte Holz von lebenden Bäumen verwenden, so ist man bei den älteren auf Holz in Bauwerken oder auf fossiles Holz im Erdreich angewiesen, dessen Alter zunächst unbekannt ist. Erst durch die Anbindung an den bereits bestehenden Teil der Standardchronologie wird eine exakte zeitliche Zuordnung neu aufgefundener Sequenzen möglich. Ist ein neues Teilstück auf diese Weise datiert, wird es selbst zum Teil der Standardchronologie, die so immer mehr in Richtung Vergangenheit erweitert wird. Die Anbindung neuer Sequenzen an eine Standardchronologie erfolgt mit Hilfe der Kreuzkorrelationsanalyse (engl. cross dating oder cross matching, s.u.). Die derzeit international wichtigsten Standardchronologien sind die nordamerikanischen Borstenkiefernchronologien und die westeuropäischen Eichenchronologien.


Abb. 18: Entstehung einer lokalen Chronologie. Die t-Werte der Kreuzrelation der Einzelsequenzen betragen zwischen 3,53 (zwischen 536 und 544) und 7,03 (zwischen 536 und 538). (Hillsborough Fort-Chronologie, nach Baillie 1982)

Abb. 18

Eine Besonderheit der Eichenchronologien ist, daß sie nicht direkt aus Einzelsequenzen, sondern aus lokalen Chronologien (engl. site chronologies) aufgebaut sind, die ihrerseits eine sehr große Zahl von Proben einschließen können. Die Bäume einer lokalen Chronologie sind an einem regional eng begrenzten Standort gewachsen und haben deshalb vergleichbare Witterungsbedingungen erfahren, was die zeitliche Zuordnung erleichtert. Ein Beispiel zeigt Abb. 18. Ein wesentlicher Vorteil der lokalen Chronologien ist, daß sie bestimmte individuelle Unregelmäßigkeiten ausmitteln, was sie für die Weiterverarbeitung in einer überregionalen Standardchronologie sehr viel geeigneter macht als die ihnen zugrundeliegenden Einzelsequenzen (Baillie 1995).

Die Kreuzkorrelationsanalyse.

Unter einer Kreuzkorrelationsanalyse versteht man die Untersuchung der zeitlichen Zuordnung zweier Ringsequenzen. Eine vollständige Analyse beruht auf drei Pfeilern: der visuellen Prüfung, der statistischen Analyse und der sog. Reproduktion, der Bestätigung der Analyse durch zwei oder mehrere unabhängige Chronologien (Baillie 1982).

Die visuelle Prüfung ist das älteste Verfahren der Kreuzkorrelationsanalyse. Die Sequenzen werden mit dem Auge verglichen, wobei insbesondere auf extreme (zumeist sehr schmale) Ringe geachtet wird. Eine besondere Form dieser Analyse basiert auf der Erstellung von "Skeleton-Plots", bei denen Standardchronologie und Probesequenz ausschließlich auf der Grundlage von seltenen Ereignissen, den sog. Weiserjahren konstruiert werden (Stokes & Smiley 1968; Ferguson 1970). Die visuelle Prüfung ist mit einem ausgeprägten subjektivem Element behaftet, wobei der Erfahrung des Untersuchenden die Schlüsselrolle zukommt. Zudem gestaltet sie sich mit zunehmender Länge der Sequenzen immer schwieriger. In der Kombination mit den beiden anderen Pfeilern der Kreuzkorrelationsanalyse spielt sie aber nach wie vor eine wichtige Rolle.

Die statistische Kreuzkorrelationsanalyse umfaßt drei Schritte:

    a) die Aufbereitung der Rohdaten

    b) die Errechnung eines statistischen Maßes für die zeitliche Überlappung zweier oder mehrerer Sequenzen und

    c) die Entscheidung, ob die Sequenzen tatsächlich als synchron anzusehen sind und damit für die Datierung einer Probe oder den Aufbau einer Standardchronologie verwendet werden können.

Abb. 19: Die altersbedingte Variation der Jahrringbreite (oben) wird mittel Indexierung normalisiert (unter). (nach Schweingruber 1983)

Abb. 19

a) Die Aufbereitung der Rohdaten ist notwendig, weil die charakteristische Abfolge der Jahrringbreiten nicht nur das Ergebnis von überregionalen Klimaschwankungen ist, sondern zusätzlich von einer Reihe lokaler biologisch-ökologischer Faktoren beeinflußt wird. Eine wichtige Rolle spielen Alterungsprozesse: die Ringbreite nimmt mit zunehmendem Alter des Baumes ab. Um die Sequenzen unterschiedlicher Proben dennoch vergleichen zu können, müssen sie zunächst normalisiert – die Dendrochronologie verwendet hier häufig den Begriff "indexiert" – werden. Bei der Indexierung wird zunächst der Langzeittrend der Ringbreiten durch eine Ausgleichskurve angepaßt. Die indexierten Ringbreiten entsprechen dann den jeweiligen Abweichungen von dieser Kurve (Abb. 19). Da in Jahrringserien gewöhnlich mehr schmale als breite Jahrringe vorkommen, kann es vorteilhaft sein, die schiefe Werteverteilung durch Abbildung des Logarithmus in eine Normalverteilung zu transformieren. Mittels Tiefpaß- und Hochpaßfiltern ist es zudem üblich, Kurzzeit-, v.a. aber Langzeitschwankungen in den Ringsequenzen zu unterdrücken (zur Datenaufbereitung vgl. Schweingruber 1983).

b) Als Wahrscheinlichkeitsmaß fand zunächst der Korrelationskoeffizient (r) Anwendung. Der Korrelationskoeffizient ist ein Maß für die statistische Ähnlichkeit zweier (indexierter) Ringsequenzen (x) und (y). Die Größen xi und yi entsprechen den Ringbreiten der Sequenzen im i-ten Jahr. Eine Variante gibt Gl. (8) wieder.

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Je größer der Korrelationskoeffizient ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die beiden Sequenzen tatsächlich zeitgleich sind (r = 1 bedeutet "identisch", r =0 bedeutet "keine Ähnlichkeit" und r = –1 bedeutet "negativ identisch"). Ein Problem ist, daß der Korrelationskoeffizient zusätzlich von der absoluten Länge der verglichenen Sequenzen abhängt, weshalb er – um vergleichbar zu bleiben – in der Regel für äquidistante Abschnitte, z.B. 100-Jahres-Intervalle bestimmt wird. Dieser Nachteil wird durch den von Baillie & Pilcher (1973) in die Baumringdatierung eingeführten t-Wert behoben, der praktisch eine Normalisierung des Korrelationskoeffizienten über der Überlappungslänge (n) der Sequenzen, d.h., der Anzahl der miteinander verglichenen Jahrringe darstellt.

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Anders als der Korrelationskoeffizient ist der t-Wert immer positiv und kann Werte deutlich größer als 1 erreichen. Andere wichtige statistische Maße sind die Gleichläufigkeit und der Intervalltrend (Schweingruber 1983). Da die Aussagen all dieser Maßzahlen in etwa gleichwertig sind, kann sich die weitere Diskussion beispielhaft auf den t-Wert beschränken.

c) Obwohl ursprünglich über die Student-Verteilung abgeleitet, ist der t-Wert kein echtes Wahrscheinlichkeitsmaß (Baillie 1982). Dennoch erlaubt er eine Aussage darüber, ob die Übereinstimmung zwischen den Ringfolgen zweier Teilsequenzen größer oder kleiner ist. Ist der t-Wert groß, so ist es wahrscheinlich, daß beide Sequenzen zeitlich tatsächlich überlappen. Dies macht zugleich die Grenze der Kreuzkorrelationsanalyse deutlich: sie kann lediglich eine Aussage darüber treffen, ob die zeitliche Zuordnung einer Probe zur Standardchronologie eher wahrscheinlich oder eher unwahrscheinlich ist. Eine sichere "ja/nein"-Aussage ermöglicht sie nicht. Baillie & Pilcher haben bereits 1973 einen Wert von t = 3,5 vorgeschlagen, oberhalb dessen eine Überlappung pragmatisch als gesichert angenommen werden soll. Dieses Maß gilt als sehr streng und in der Regel als eindeutig (Schweingruber 1983). Abb. 20 zeigt ein Beispiel für eine statistisch begründete Zuordnung zwischen mehreren lokalen Eichenchronologien.


Abb. 20: Entstehung eines Abschnittes der irischen Standardchronologie. Die t-Werte bei der Kreuzkorrelation der lokalen Chronologien betragen zwischen 3,7 (zwischen A und B, und zwischen B und C) und 5,2 (zwischen B und D). (nach Baillie 1982)

Abb. 20

Die Praxis hat jedoch erwiesen, daß ein t-Wert größer als 3,5 allein für eine eindeutige Zuordnung von Sequenzen nicht genügt. So finden sich bei der Einordnung von Probesequenzen in die Standardchronologie häufig mehrere Abschnitte mit einem solchen Wert, und die tatsächliche Zuordnung korreliert nicht unbedingt mit dem höchsten t-Wert, ja manchmal sogar mit einem t-Wert kleiner als 3,5 (Munro 1984; Yamaguchi 1986; Wigley et al. 1987). Die statistische Wahrscheinlichkeit für eine tatsächliche Überlappung hängt zu einem gewissen Maß von der Aufbereitung der Rohdaten (Schritt a) ab. Sie nimmt zu, wenn die indexierten Sequenzen mittels eines Hochpaßfilters aufbereitet, d.h., längerfristige Schwankungen der Ringbreiten ausgefiltert wurden. Vorschläge der o.g. Autoren, die angesprochene Mehrdeutigkeit bei der Kreuzkorrelationsanalyse zu minimieren, knüpfen daher bei der Aufbereitung der Rohdaten an. Eine breitere Anwendung haben sie bislang aber nicht erfahren (Baillie 1995). Das Auftreten einer Vielzahl statistisch ähnlicher Teilsequenzen in einer Zeitreihe, d. h. die Wiederkehr vergleichbarer Muster, wird als Autokorrelation bezeichnet (Bender 1985). Sowohl geologische als auch dendrochronologische Zeitreihen tendieren häufig zur Autokorrelation (vgl. LaMarche 1974).

Der Aufbau einer unanfechtbaren Standardchronologie oder auch nur eine dendrochronologische Datierung sind also ausschließlich auf mathematisch-statistischer Grundlage nicht möglich, ein Punkt auf den Kritiker (z.B. Newgrosh 1991) wiederholt hingewiesen haben. Allerdings wird dieser Anspruch in der Regel auch gar nicht erhoben. Die statistische Analyse wird in der Dendrochronologie als willkommenes Werkzeug gesehen, das die subjektive Komponente der visuellen Prüfung verringern und die Korrelation sehr langer Sequenzen ermöglichen kann (Baillie 1995). Die eigentliche Sicherheit bei der Chronologienbildung sehen Dendrochronologen in der dritten Säule der Kreuzkorrelationsanalyse, der sog. Reproduktion. Darunter versteht man die Bestätigung der Analyse durch zwei oder mehrere unterschiedliche Chronologien, die untereinander zufriedenstellend kreuzkorrelierbar sind. Dieses Argument ist außerordentlich stark, es setzt allerdings voraus, daß die Chronologien völlig unabhängig voneinander entstanden sind.

Schwimmende Sequenzen und Chronologien.

Unter einer "schwimmenden" (engl. floating) Sequenz versteht man die Ringfolge einer Probe, die zeitlich noch nicht zugeordnet werden kann. Sind mehrere Teilsequenzen miteinander korreliert, so spricht man von einer "schwimmenden" Chronologie. Neu aufgefundene und "schwimmende" Sequenzen werden in der Regel mittels 14C vorläufig datiert (s. z.B. Pilcher et al. 1977). Werden die Lücken zwischen der Standardchronologie und den "schwimmenden" Sequenzen dann später durch neu aufgefundene Proben überbrückt, wird vermittels Kreuzkorrelationsanalyse exakter positioniert.

Der problematische Aspekt der 14C-Vordatierung besteht darin, daß dadurch nicht nur eine relative zeitliche Zuordnung der einzelnen Proben ermöglicht wird, sondern auch ein zeitliches Suchfenster für die spätere Kreuzkorrelation zwischen den Einzelsequenzen und lokalen Chronologien vorgegeben ist. Angesichts der oben beschriebenen Mehrdeutigkeit der statistischen Kreuzkorrelationsanalyse und der oszillierenden Form der 14C-Kalibrierkurve ("Wiggles", s.u.) prinzipiell mögliche Überlappungen außerhalb dieses Suchfensters sind so von vornherein ausgeschlossen, was die verschiedenen auf diese Weise generierten Standardchronologien zu einem gewissen Maß über 14C voneinander abhängig macht. Da die atmosphärische 14C-Isotopenverschiebung weltweit einheitlich abgelaufen ist, sind auch die durch 14C für die verschiedenen Chronologien vorgegebenen Zeitfenster miteinander identisch. Ein möglicher fehlerhafter Versatz in den Standardchronologien würde deshalb auch durch gegenseitige Kreuzkorrelation anschließend nicht mehr aufzudecken sein. Da der Fehler in allen Chronologien gleich sein müßte, wäre sogar zu erwarten, daß die Kreuzkorrelation zufriedenstellende Ergebnisse liefern würde.



Grundprinzip.

Das Grundprinzip ist einfach: Aus der dendrochronologischen Datierung ist die zeitliche Zuordnung der einzelnen Jahrringe bekannt. Für dieselben Ringe kann ein 14C-Alter bestimmt werden, wobei, um genügend große Proben zu erhalten, in der Regel über eine Anzahl von Ringen (z.B. 10 oder 20) gemittelt wird. Auf diese Weise erhält man eine Kalibrierkurve, mit deren Hilfe man nichtkalibrierte 14C-Alter in dendrochronologische, d.h. kalendarische Alter umrechnen kann. Für die Kalibrierung von 14C-Daten haben wiederum die amerikanischen Borstenkieferchronologien und die europäischen Eichenchronologien besondere Bedeutung erlangt.

Wiggle-Matching.

Das englische Wort "wiggles" (oder wriggles) bedeutet soviel wie "Schwankungen" und bezieht sich auf mittelfristige 14C-Aktivitätsschwankungen in der Größenordnung einiger Prozent, die mit einer Schwingbreite von einem Jahrzehnt bis zu mehreren Jahrhunderten um die mittlere Kalibrierkurve oszillieren (Abb. 21). Ihr Entdecker, H. de Vries (1959), hat in ihnen eine Reaktion auf globale Klimaschwankungen vermutet. In der Folgezeit wurde eine Reihe weiterer Mechanismen aufgeklärt (vgl. Teil I, S. 19), die zur Entstehung der Wiggles beigetragen haben könnten.


Abb. 21: Mittelfristige Variation des atmosphärischen 14C/12C Verhältnisses, die sog. "Wiggles". (nach Stuvier & Quay 1980, Wiedergabe nach Damon 1987)

Abb. 21

In den 70er Jahren verringerte sich die Höhe der gemessenen Wiggles gegenüber der Meßwertstreuung nach Einbeziehung neuerer 14C-Daten erheblich (Damon 1987). Auch vor dem Hintergrund berichteter Diskrepanzen zwischen kalibrierten 14C-Daten und historischen Daten aus dem Alten Ägypten entstand eine Diskussion, inwieweit sie beim statistischen Glätten der Kalibrierkurven eventuell sogar eliminiert werden sollten (McKerell 1975). Die Diskussion wurde erst mit dem Erscheinen der ersten Hochpräzisions-Kalibrierkurven (s.u.) Ende der 70er Jahre entschieden, die die Wiggles wieder deutlicher hervortreten ließen (De Jong et al. 1979).

Die Tatsache, daß die Wiggels ein Ausdruck der globalen Isotopenverschiebung sind, eröffnete bereits frühzeitig eine neue Möglichkeit der Datierung: das sog. Wiggle-Matching. Da die Isotopenverschiebung an der Atmosphäre global einheitlich ist, sollte auch der Verlauf unterschiedlicher Kalibrierkurven, gleich auf welchem Kontinent sie erstellt würden, einheitlich sein, auch die Wiggles sollten exakt übereinanderpassen. Auf diese Weise würde die Richtigkeit unabhängiger Standardchronologien an verschiedenen Orten durch den Vergleich ihrer Kalibrierkurven zu erweisen sein.

Umgekehrt kann das Prinzip aber auch zur Datierung von "schwimmenden" Chronologien verwendet werden, wenn man davon ausgeht, daß die Kalibrierkurve, die als Vergleichsnormal genutzt wird, keine Fehler enthält. Man kann dieses Vorgehen mit der oben angesprochenen Kreuzkorrelationsanalyse vergleichen, nur daß anstelle einer charakteristischen Abfolge von Jahrringbreiten eine charakteristische Ausprägung der Wiggles in einer Standard- und einer "schwimmenden" Kalibrierkurve zur Deckung gebracht wird. Voraussetzung für die Anwendung des Wiggle-Matching ist, daß das auszuwählende Zeitfenster (also das ungefähre Alter der zu korrelierenden Sequenz) bereits bekannt ist, und daß die Sequenz mehr als 50 Jahrringe umfaßt (Pearson 1986). Die ersten, die dieses Prinzip anwendeten, waren Ferguson, Suess und Huber (1966), die auf diese Weise das Alter einer Siedlung in der Schweiz ermittelten (Abb. 22). Wird die Standardchronologie dann zu einem späteren Zeitpunkt durch Hinzufügen neuer Teilstücke erweitert, kann sich das Alter der bisherigen "schwimmenden" Sequenz noch einmal um einige Jahrzehnte verschieben (Damon 1987, Kromer et al. 1996).


Abb. 22: Datierung von Holz aus steinzeitlichen Siedlungen in der Schweiz mittels Wiggle-Matching. Oben: Standardchronologie, unten "Schwimmende Chronologie". (nach Fergusan et al. 1966)

Abb. 22

Frühe 14C-Kalibrierkurven.

Seit den ersten 14C-Messungen wurden die erhaltenen 14C-Alter mit kalendarischen Altern verglichen, wobei von Beginn an dendrochronologische Daten eine wichtige Rolle spielten. Der erste dieser Vergleiche wurde von Libby (1955) als Bestätigung seiner neuen Datierungsmethode publiziert. Zu dieser Zeit deutete noch alles darauf hin, daß die 14C-Messung auch ohne eine weitere Kalibrierung der Daten zuverlässige Altersbestimmungen ermöglichen würde. Erste Zweifel kamen auf, als Suess (1955) in Untersuchungen an Holz seit der Mitte des 19. Jhd. den Effekt der Isotopenverschiebung infolge der Verbrennung fossiler Energieträger feststellte. Wenig später konnte De Vries (1959) 14C-Aktivitätsschwankungen an Holzproben seit dem europäischen Mittelalter nachweisen. Seit dieser Zeit wurde eine ungeheure Zahl an Daten für eine mögliche Kalibrierung von 14C-Altern generiert. Zusammenfassungen der frühen Untersuchungen finden sich bei Jansen (1970) und Damon et al. (1978).

Die frühen Messungen stimmten zwar hinsichtlich des Langzeittrends der Isotopenverschiebung überein, wiesen aber signifikante Unterschiede bei der Beschreibung der kurzzeitigeren Schwankungen auf. Ein Beispiel zeigt Abb. 23 (Jansen 1970), in dem Messungen von vier Kontinenten gegenübergestellt sind. Man meinte aufgrund des Befundes eine Abhängigkeit der Isotopenverschiebung vom geographischen Breitengrad feststellen zu können. Lerman et al. (1970) erklärten dies mit der 40% größeren Oberfläche der Ozeane auf der Südhalbkugel und mit einer größeren Windgeschwindigkeit, die eine größere Absorption von 14C durch die südlichen Weltmeere zur Folge hätten. Spätere Untersuchungen (z.B. Barbetti et al. 1992) haben diesen Effekt aber zumindest zum Teil nicht bestätigt gefunden.


Abb. 23: Vergleich der dendrochronologisch ermittelter 14C Isotropenversciebungen auf verschiedenen Kontinenten (Stand 1970). Die korrigierten neuseeländischen Daten beruhen auf der Annahme, daß zuvar 150 "fehlende" Ringe nicht erkannt worden sind. (nach Jansen 1970)

Abb. 23

Ging es bei den frühen Arbeiten eher um die Erforschung der Einflußfaktoren auf die Isotopenverschiebung, so begann man seit etwa 1970 gezielt mit dem Aufbau dendrochronologisch gestützter 14C-Kalibrierkurven. Klein et al. (1982) und Damon (1987) geben eine Überblick über etwa ein Dutzend unterschiedlicher Kalibrierkurven, die bis 1980 vorgeschlagen wurden. Die Kurven wiesen bezüglich der kurzzeitigen Schwankungen gewisse Unterschiede auf, was sich bei der Anwendung v.a. in der Archäologie als sehr hinderlich erwies (vgl. Teil III in der übernächsten Ausgabe). Aus diesem Grunde wurde auf einem Workshop im amerikanischen Tucson, Arizona 1979 auf der Grundlage der bestehenden Datensätze eine vereinheitlichte Kalibrierkurve erarbeitet (Klein et al. 1982) (Abb. 24), der 1154 Datenpunkte aus fünf verschiedenen 14C-Labors zugrundegelegt wurden. Außer den Daten einer "schwimmenden" Chronologie aus deutschen Eichenstämmen (Damon 1987) waren dies v.a Daten von amerikanischen Mammutbäumen und Borstenkiefern, wobei insbesondere die letzteren für die Langzeittrends der Kalibrierkurve von ausschlaggebender Bedeutung waren (s.u.).


Abb. 24: Vereinheitlichte Kalibrierungskurve von 1982 (14C Messungen mittlerer Präzision). (nach Klein et a. 1982)

Abb. 24

Hochpräzisions-Kalibrierkurven.

Als die vereinheitlichte Kalibrierkurve nach Klein et al. publiziert wurde, waren bereits die ersten 14C-Hochpräzisionsmessungen vorgestellt wurden (Pearson et al. 1977; De Jong et al. 1979). Unter Hochpräzision versteht man 14C-Messungen mit einen Meßfehler von weniger als ±20 Jahren (einfache Standardabweichung, vgl. Teil I, S. 24), während mittlere Präzision einem Meßfehler von ca. ±50 Jahren entspricht. Eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung von Hochpräzisionsmessungen sind neben einer fortgeschrittenen apparativen Ausstattung des Labors vergleichsweise große Proben (40 bis 200 g, Damon 1987). Diese wurden zunächst v.a. von europäischen Eichen zur Verfügung gestellt, die im Vergleich zu den in den Anfangsjahren dominierenden kalifornischen Borstenkiefern sehr viel größere Ringbreiten aufwiesen. Erst die Anwendung von Hochpräzisionsdaten erlaubte in größerem Stil die Anwendung des oben beschriebenen Wiggle-Matching zum Aufbau von Chronologien.

Seit Mitte der 80er Jahre begannen Hochpräzisions-Kalibrierkurven die älteren Kalibrierkurven zu ersetzen. Sie entstanden von vornherein in enger Zusammenarbeit der verschiedenen 14C-Labors, die die Daten generierten. Die bisher letzte Revision der einheitlichen Hochpräzisions-Kalibrierkurve wurde 1993 vorgestellt (Stuvier & Reimer 1993; vgl. auch die übrigen Aufsätze im selben Band: Radiocarbon Bd. 35, Heft 1), gegenwärtige Korrekturarbeiten sind bei Kromer et al. (1996) aufgelistet. In Abb. 25 sind Abschnitte einer Hoch- und einer Mittel-Präzisions-Kalibrierkurve gegenübergestellt.


Abb. 25: Vergleich verschiedener Kalibrierungskurven zwischen 2000 v. Chr. und 800 n. Chr. Die Streubänder beziehen sich auf den Meßfehler (eine Standardabweichung) bei der 14C Messung (Daten mittlerer Präzision nach Klein et al. 1982; Daten hoher Präzision nach Pearson et al. 1983)

Abb. 25

Die kalifornischen Borstenkiefer-Chronologien.

Abb. 26: Die Borstenkiefer (Pinus aristata) wächst in den kalifornischen White Mountains in einer Höhe von etwa 3000 Metern. Sie kann mehr als 4000 Jahre alt werden.

Abb. 26

Im Jahre 1969 publizierte der Amerikaner Charles Wesley Ferguson eine 7104 Jahre alte Standardchronologie auf der Grundlage von Borstenkiefern in den White Mountains in Kalifornien (Ferguson 1969), die später noch um anderthalb Jahrtausende erweitert wurde (Ferguson & Graybill 1983; Linick et al. 1986). Ein Teil der Daten war bereits Mitte der 60er Jahre verschiedenen 14C-Labors zugestellt worden, die sie zur Ausarbeitung von 14C-Kalibrierkurven nutzten (Suess 1965; Damon et al. 1966, Rainey & Ralph 1966; Stuvier & Suess 1966; Ralph & Michael 1967; Suess 1967).

Die Borstenkiefern – eine Koniferenart Kaliforniens (Abb. 26) – gehören zu den ältesten Bäumen der Erde. Mitte der 50er Jahre fand Edmund Schulman in Höhenlagen der White Mountains 17 Bäume mit einem Alter von mehr als 4000 Jahren. Für einen Baum entlang des "Methusalem-Pfades" konnte sogar ein Alter von 4600 Jahren nachgewiesen werden (Schulman 1958). Aufgrund des hohen Harzgehaltes konnte das Holz der Borstenkiefer Jahrtausende der Verwitterung trotzen. Die vereinzelten Standorte und die Bodenbedingungen verringerten die Gefahr von Waldbränden.

Allerdings waren die älteren Bäume oft inwendig hohl, so daß nur die äußersten Ringe und ausgewählte Teilstücke im Inneren für die Datierung genutzt werden konnten. Der Aufbau sehr langer Standardchronologien war darum trotz des hohen Alters der Bäume auf die Überlappung kürzerer Teilsequenzen aus lebendem und bereits abgestorbenem Holz angewiesen, die freilich immer noch in der außergewöhnlichen Größenordnung von bis zu zwei Jahrtausenden lagen. Bezüglich der Eignung für die Dendrochronologie stellten sich die Wachstumsbedingungen der Bäume in 3000 bis 3350 Metern Höhe – extreme Temperaturen kombiniert mit einer geringen Niederschlagsmenge und dolomitischem Gestein als Untergrund – als ideal heraus.


Abb. 27: Ausgeglichene (links) und moderat sensitive (rechts) Ringfolge der Borstenkiefer. (nach Ferguson 1968)

Abb. 27

Von einigen Koniferenarten insbesondere in geringeren Höhenlagen und südlicheren Breiten ist bekannt, daß sie unter bestimmten Witterungsbedingungen mehrfach im Jahr Wachstumsschübe erfahren, die irrtümlich als Jahrringe gedeutet werden können (Glock et al. 1960). Ferguson (1969) und LaMarche & Harlan (1973) schlossen diese Möglichkeit für die Borstenkiefern in den White Mountains aber weitgehend aus. Als kritischer erwies sich das Problem der "fehlenden Ringe". In verschiedenen Bohrkernen fehlten bis zu 5%, in extremen Lagen sogar mehr als 10% der Ringe. Zwar ging man davon aus, daß die "fehlenden Ringe" aufgefunden und ergänzt werden könnten, wenn von einer Probe eine hinreichend große Anzahl Bohrkerne entnommen würde (s.o.), die hohe Anzahl stellte dennoch ein ernstes Hindernis für den Aufbau einer Chronologie dar. Aus diesem Grunde, und um genügend Material für die geplante 14C-Messung zu erhalten, baute Ferguson seine Standardchronologie aus Proben von weniger sensitiven Standorten auf. Kriterium war eine mittlere Ringbreite von mindestens 0,1 mm. Diese Proben wiesen eine nahezu ausgeglichene Ringfolge mit nur wenigen datierungsrelevanten Ringen pro Jahrhundert auf (Abb. 27). Später wurde die Kurve durch sensitivere Sequenzen verstärkt.


Abb. 28: Komponenten der Borstenkiefer-Standardchronologie nach Ferguson (1969)
Abb. 29: Kreuzkorrelation zwischen einer Teilsequenz von "Pine Alpha" und der Standardchronologie. Aus der Abbildung geht hervor, inwieweit bei "Pine Alpha" nachträglich Ringe eingefügt wurden. "Pine Alpha" war die erste Borstenkiefer, die für ein Alter von mehr als 4000 Jahren nachgewiesen wurde. (nach Ferguson 1969)

Abb. 28

Abb. 28 gibt den Aufbau der Standardchronologie aus den Einzelsequenzen einschließlich der Anzahl der einbezogenen Radien wieder, Abb. 29 zeigt ein Beispiel für eine Kreuzkorrelation. Der außerordentlich hohen Anfälligkeit der Sequenzen der oberen Baumgrenze gegenüber Autokorrelation, d.h., der hohen Wahrscheinlichkeit, eine Vielzahl statistisch möglicher Überlappungen zu ermöglichen (LaMarche 1974), wurde durch Ausfilterung der langzeitigen Ringbreitenschwankungen bei der Rohdatenaufbereitung Rechnung getragen (Ferguson 1969).

Während die Daten Fergusons bereits für die Erstellung von 14C-Kalibrierkurven Verwendung fanden, wurden sie von einer Reihe von Forschern mit Vorbehalt aufgenommen (vgl. die Schilderung bei Ralph & Michael 1974). Dies änderte sich, als LaMarche & Harlan (1973) eine weitere Borstenkiefer-Standardchronologie vorlegten, die die Ferguson-Kurve bis in die Mitte des vierten vorchristlichen Jahrtausends bestätigte. Die Autoren hatten im Süden der White Mountains Bäume und Baumreste gesammelt, mit deren Hilfe sie Aussagen über zeitliche Veränderungen der oberen Baumgrenze in der Region gewinnen wollten.


Abb. 29: Komponenten der Borstenkiefer-Standardchronologie nach LaMarche und Harlan (1973)

Abb. 29

Abb. 30 gibt einen Überblick über die von LaMarche & Harlan ausgewerteten Sequenzen. Die einzelnen Teilstücke sind im Schnitt sehr viel kürzer als die der Ferguson-Kurve. Die Menge der Teilsequenzen ist aber deutlich größer und damit auch die Anzahl der zeitgleich überlappenden Enden. LaMarche & Harlan leiteten für diese Anzahl eine Wahrscheinlichkeit von gerade einmal einem fehlendem Ring her, der in der ganzen Standardchronologie übersehen worden sein könnte. Die Analyse basierte auf der empirisch bekannten Wahrscheinlichkeit fehlender Ringe in Einzelsequenzen und setzt bei der praktischen Anwendung voraus, daß die fehlenden Ringe in den überlappenden Sequenzen auch tatsächlich zweifelsfrei ausgemacht werden können.


Abb. 30: An zwei Stellen der Borstenkiefer-Standardchronologie nach LaMarche und Harlan wurden nachträglich "fehlende" Ringe eingefügt. In der Abbildung ist der Kreuzrelationskoeffizient aus dem Vergleich mit der Chronologie nach Ferguson vor und nach der Korrektur (Ring 5859) wiedergegeben. (nach LaMarche und Harlan 1973)

Abb. 30

Abb. 31: Vergleich von Ausschnitten der Standardchronologien nach Ferguson und LaMarche & Harlan. Die nachträglichen eingefügten Ringe (dicke Punkte) weisen eine Ringbreite von null auf. (nach LaMarche und Harlan 1973)

Abb. 31

Die Kreuzkorrelationsanalyse mit den älteren Ferguson-Daten ergab bis etwa 4000 v.Chr. positive Korrelationskoeffizienten, die dann unterhalb des Ringes Nr. 5859 in negative Werte umschlugen. Die offensichtliche Fehlanpassung wurde durch Einfügen zweier fehlender Ringe mit einer Ringbreite von null korrigiert (Abb. 31). Abb. 32 zeigt die entsprechenden Stellen in den Sequenzen. Daß sich die neue Standardchronologie von der Fergusons über einen Zeitraum von fünfeinhalbtausend Jahren gerade einmal um 2 Jahrringe unterschieden hatte, werteten LaMarche & Harlan als Hinweis darauf, daß eine größere Fehlzuordnung von Sequenzen, wie sie aufgrund der Vielzahl statistisch möglicher Überlappungen gerade an der oberen Baumgrenze denkbar wäre, extrem unwahrscheinlich sei. In der Tat würde ein solcher Fehler bedeuten, daß in beiden Chronologien Versatzstücke existieren müßten, die sich in ihrer Summe auf beide Chronologien nahezu gleich auswirkten, und daß dies zudem keine signifikanten Auswirkungen auf den Kreuzkorrelationskoeffizienten haben dürfte, wobei allerdings der Begriff der Signifikanz noch zu quantifizieren wäre (ähnlich den Ferguson-Daten wurden auch die Rohdaten LaMarches & Harlans mittels eines Hochpaßfilters aufbereitet). Völlig ausschließen läßt sich eine solche Konstellation freilich nicht, sie ist nur eben nicht besonders wahrscheinlich.

Das Argument der Übereinstimmung unabhängiger Standardchronologien, der Reproduktion, ist seither das zentrale Argument der Dendrochronologie für die Richtigkeit der vorhandenen Standardchronologien und damit auch für die unbedingte Richtigkeit der 14C-Kalibrierkurven.



Für die Korrektur von 14C-Altern hinsichtlich der Isotopenverschiebung hat die Baumringdatierung besondere Bedeutung erlangt. Im vorliegenden Aufsatz wurden die wichtigsten Prinzipien dieser Methode vorgestellt. Darüber hinaus wurde ein kurzer geschichtlicher Abriß der Entwicklung der 14C-Kalibrierkurven und der nordamerikanischen Borstenkieferchronologien gegeben. Zentrale Bedeutung für das Problemfeld 14C-Datierung-Archäologie kommt der Frage der Unabhängigkeit der unterschiedlichen Baumringchronologien zu. Es wurde darauf hingewiesen, daß ein Schwachpunkt der gängigen Argumentation in der Vordatierung der Proben mittels 14C besteht (vgl. Abschnitt "Schwimmende Sequenzen und Chronologien"). Das wechselseitige Verhältnis der verschiedenen Langzeitchronologien und alternative Kalibrierverfahren werden Gegenstand des folgenden Beitrags (Teil IIb) sein.



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Studium Integrale Journal 5. Jg. Heft 2 - Oktober 1998