Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 23. Jg. Heft 1 - Mai 2016
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von Reinhard Junker

Studium Integrale Journal
24. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2017
Seite 68 - 77


Zusammenfassung: Bei einer Reihe von Dinosauriern wurden in den vergangenen 20 Jahren eine haarartige Körperbedeckung oder echte, flächige Federn entdeckt. Belegen Sie eine evolutionäre Entstehung von Vogelfedern?




Einleitung

In den letzten beiden Ausgaben von Studium Integrale Journal wurde ein Überblick darüber gegeben, welche Erfordernisse Vogelfedern erfüllen müssen, um flugtauglich zu sein (Junker 2016), und es wurden Federentstehungsmodelle vorgestellt und kritisch analysiert. Es wurde gezeigt, dass und weshalb evolutionäre Hypothesen zur Entstehung von Federn daran scheitern, eine Entstehung auf der Basis ungerichteter zukunftsblinder Prozesse plausibel zu modellieren (Junker 2017). Die Plausibilität einer evolutiven Entstehung kann außer durch Modelle aber auch anhand der Fossilüberlieferung beurteilt werden. Das ist Gegenstand dieses Beitrags. Vögel werden von der Mehrzahl der Forscher von Dinosauriern aus der Gruppe der Theropoden (vgl. Abb. 6) abgeleitet. Theropoden sind zweibeinig sich fortbewegende, großenteils fleischfressende Dinosaurier, die zu den Saurischia (Echsenbeckendinosaurier) gestellt werden. Es gilt als eine eindrucksvolle Bestätigung der Theropoden-Hypothese, dass bei einer Reihe von Theropodengattungen fossile Reste mutmaßlich federartiger Körperbede­ckungen gefunden wurden („Dino-Federn“), sowohl haarartige oder federähnliche Anhänge als auch echte flächige Federn. Diesen fossilen Funden widmet sich dieser Beitrag.

Abb. 1: Ein rekonstruiertes und künstlerisch dargestelltes Paar von Microraptor gui (Dromaeosauridae, Microraptorinae). (durbed.deviantart.com, CC BY-SA 3.0)
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Gattungen mit „Dino-Flaum“

Haarartige Strukturen sind seit Mitte der 1990er-Jahre bei einer Reihe fossiler Theropoden-Gattungen gefunden worden (sog. „Dino-Flaum“) und gelten für viele Paläontologen als eindrucksvolle Belege für die heutige Mehrheitsauffassung, dass Vögel von Dinosauriern abstammen. Außerdem werden sie als Belege für die Existenz von Stadium 1 und 2, eventuell auch von Stadium 3 von Prums Ontogenese-Modell gewertet (vgl. 2. Teil dieser Artikelserie; Junker 2017). Die entsprechenden Körperanhänge werden zwar häufig als Federn bezeichnet, doch ist diese Benennung nicht gerechtfertigt, da sie nicht flächig ausgebildet sind und Follikel (eingesenkter Teil) nicht sicher nachgewiesen wurden (vgl. Kasten 1).

Bisher bekannte Gattungen mit Dino-Flaum gehören zu unterschiedlichen Theropodenfamilien, die zum Teil nicht näher verwandt sind; auch bei Gattungen der Ornithischier (außerhalb der Theropoden) wurden filamentöse Anhänge nachgewiesen (Details im online-Zusatzmaterial).

Die Bezeichung „Feder“ ist für haarartige, flaumige oder auch einfach gefiederte Körperanhänge nicht gerechtfertigt.

Einer der ersten Funde von Theropoden mit ca. 0,1 mm dünnen, haarartigen, mähnenförmigen Anhängen ist Sinosauropteryx (Compsognathidae; Unterkreide, Chen et al. 1998; Abb. 2B). Das Tier besaß einen maximal 2 cm hohen dichten und parallel angeordneten Besatz feiner „Fasern“ oder Borsten entlang der Wirbelsäule und auf beiden Seiten des Schwanzes. Die Fasern sind so dicht zusammengepackt, dass sie nicht einzeln isoliert werden konnten (Chen et al. 1998, 151) und es schwierig ist, ihre genaue Struktur zu erkennen, sie sollen teilweise verzweigt gewesen sein (Currie & Chen 2001, 1724).

Bei der 1999 erstmals beschriebenen Gattung Beipiaosaurus (Therizinosauria; Unterkreide, Abb. 2C, D) wurden in enger Verbindung mit den Unterarmen, Hinterbeinen und dem Brustbereich faserförmige Strukturen gefunden, die denen von Sinosauropteryx gleichen. Sie sind 50-70 mm lang, zeigen flache Furchen und zweigen sich an ihrem Ende auf (Wellnhofer 2002, 474; Xu et al. 1999, 351). Später wurden an Teilen des Kopfes, Halses und Schwanzes einzelne längere breite Filamente entdeckt, die bis zu 15 cm lang, relativ starr und 2-3 mm breit waren (Yu & Guo 2009, 315).

Die faserigen Integumentstrukturen von Sinornithosaurus (Dromaeosauridae, Unterkreide, Abb. 2F) sind besonders interessant, weil es Hinweise darauf gibt, dass ansatzweise Stadium 3 nach Prums Federentstehungsmodell repräsentiert sein könnte. Die Fasern sind 3-4 cm lang und können neben Einzelfasern zwei verschiedenen Typen zugeordnet werden: büschelige und fiederige Filamente (Xu et al. 2001; Wellnhofer 2002, 471; Ji et al. 2001). Eine Verankerung in der Körperoberfläche ist nicht dokumentiert; die Integumentstrukturen sind abgelöst von der Körperoberfläche fossilisiert (Xu et al. 2001, 201).

Hinweis zu den Anmerkungen: Die Anmerkungen enthalten Belegzitate und weitere Informationen; sie können als Zusatzmaterial zum Artikel hier (feder-und-flug-3.pdf) heruntergeladen werden.

Wieder einer anderen Familie, den Alvarezsauridae, wird die Gattung Shuvuuia zugeordnet, deren Verwandtschaft mit den Vögeln kontrovers diskutiert wird1 und die erst aus der Oberkreide bekannt ist. Mit ca. 60 cm Länge ist Shuvuuia einer der kleinsten Dinosaurier. Schweitzer et al. (1999) fanden extrem feine, mutmaßlich hohle Fasern von unterschiedlicher Länge, die in Büscheln erhalten sind. Ebenfalls den Alvarezsauriden wird Gattung Haplocheirus zugeordnet; sie machte im Jahr 2010 von sich reden als erster „befiederter“ Fund, der in älterem Schichten als Archaeopteryx im Oberjura geborgen wurde (Choiniere et al. 2010). Die Natur der Körperbedeckung von Haplocheirus ist jedoch unklar.

Wenn von „Dino-Federn“ die Rede ist, muss geklärt werden, welche Kriterien minimal erfüllt sein müssen, damit Körperanhänge als Federn klassifiziert werden können. Haarartige, faserige, einfach verzweigte Anhänge und flächig ausgebildete Anhänge gleichermaßen als Federn zu bezeichnen ist nicht sinnvoll, sondern führt eher zu Begriffsverwirrung. Solch unterschiedliche Körperanhänge begrifflich in einen Topf zu werfen, dürfte evolutionstheoretisch motiviert sein, weil es mittlerweile Standard ist, Vögel als überlebenden Zweig der Dinosaurier anzusehen. Daher werden Körperanhänge von Dinosauriern als Federvorstufen interpretiert. Es führt dann aber zu einem Zirkelschluss, wenn man faserige oder einfach verzweigte Anhänge wiederum als Belege dafür anführt, dass Vögel von Dinosauriern abstammen.

Haare besitzen bekanntlich auch Säugetiere und Flugsaurier. Auch deshalb ist es nicht sinnvoll, bei haarartigen Körperbedeckungen von einfachen Federn oder Vorfedern zu sprechen, nur weil sie bei Dinosauriern angetroffen werden. Vielmehr entscheidet sich die Federnatur einer Integumentstruktur an ihrem Bau. So definieren Chuong et al. (2003) Federn als komplexe Integumentanhänge, die hierarchisch verzweigt sind, aus Rachis, Federästen und Federstrahlen bestehen und aus einem Follikel heraus wachsen und besondere biochemische, morphologische und entwicklungsbiologische Eigenschaften besitzen.2 Um Zirkelschlüsse zu vermeiden, sollen diese Kennzeichnen im Folgenden generell zugrunde gelegt werden. An Fossilien können in der Regel zwar nicht alle diese Kennzeichen nachgewiesen werden, aber in den Fällen, in denen keines von ihnen vorliegt bzw. nachgewiesen ist, ist die Bezeichnung „Feder“ nicht angebracht, sondern es wird von „Dino-Flaum“ („dino-fuzz“) gesprochen.

Abb. 2: Einige sogenannte „Nicht-Vogel-Dinosaurier“-Gattungen mit filamentösen Integumentstrukturen: A Tianyulong, B Sinosauropteryx; C, D Beipiaosaurus, E Dilong, F Sinornithosaurus, G Caudipteryx, H Microraptor. Bei den letzten beiden Gattungen sind außerdem auch Konturfedern nachgewiesen. Aus Xu & Guo (2009), mit freundlicher Genehmingung.

Bei der oberjurassischen Gattung Sciurumimus (Megalosauroidea) wurden faserige Strukturen an der Basis des Schwanzes und an Teilen des Körpers gefunden. Rauhut et al. (2012, 11746) beschreiben sie als identisch mit Typ-1-Federn nach Prums Modell, allerdings sind Details über den Bau und die Verankerungen im Körper nicht klar erkennbar.

Weitere Gattungen mit faserigem Körperbesatz sind Dilong (Abb. 3E, taxonomische Stellung unsicher, eventuell Tyrannosauridae), der bis zu 9 m große Yutyrannus (Tyrannosauridae) mit Filamenten von mindestens 15 cm Länge im Bereich der Schwanzwirbelsäule, Ornithomimus (Ornithomimidae, Oberkreide), Aurornis (eventuell Troodontidae, vermutlich Oberjura) mit Filamentbündeln als Körperbedeckung und oberjurassische Gattungen der Familie Scansoriopterygidae (Scansoriopteryx, Epidexipteryx, Yi).

Alle vorgenannten Gattungen gehören zu Theropoden-Dinosauriern, die zur Untergruppe der Saurischia („Echsenbeckensaurier“) gestellt werden. Darüber hinaus wurde auch bei drei nicht näher verwandten Gattungen der anderen Dinosaurier-Großgruppe, den Ornithischia („Vogelbeckensaurier“), Dino-Flaum entdeckt, nämlich bei Tianyulong (Heterodontosauridae, Abb. 2A), Psittacosaurus (Ceratopsia) und Kulindadromeus (unklare systematische Stellung).

Schlussfolgerungen und weitere Aspekte

  • In vielen Fällen handelt es sich beim Dino-Flaum um einfache Haare; die Haare sind in manchen Fällen am oberen Ende verzweigt, bei einigen Gattungen büschelig (Sinornithosaurus, Aurornis, Kulindadromeus). Federn, die etwa Stadium 3b von Prums Modell ähneln, könnten bei Sinornithosaurus und Kulindadromeus ausgebildet sein.
  • Federn besitzen einen hohlen Schaft, entsprechend sollte die erste Stufe der Federentstehung nach dem Ontogenese-Modell eine hohle, fädige Struktur gewesen sein. Ein eindeutiger Nachweis dafür, dass die Filamente hohl waren, liegt nicht vor oder ist in einigen Fällen umstritten (Xu & Guo 2009, 319). Zudem sind auch die mit Federn nicht homologen Bartborsten von Truthühnern hohl und können verzweigt sein (Chuong et al. 2003, 47; Mayr et al. 2016, 7); daher können diese Kennzeichen nicht als sichere Indizien für eine Federnatur gewertet werden.
  • Ein eindeutiger Nachweis von Follikeln konnte nicht erbracht werden. Damit ist auch nicht entscheidbar, ob die Dino-Filamente als „Federn“ von Stadium 1-3 nach Prums Modell interpretiert werden können.
  • Während Federn heutiger Vögel relativ weit voneinander entfernt in der Haut eingesenkt sind und nur bestimmte Bezirke des Körpers (Federfluren) bedecken, ist der Dino-Flaum oft dicht und unstrukturiert angeordnet oder bildet bei manchen Arten eine Art „Kamm“, was bei heutigen Federn nicht bekannt ist (Martin 2008, 46). Eine Ausnahme bildet die Gattung Ornithomimus mit nachweislich unterschiedlich bedeckten Integumentbezirken.
  • Strukturen, die als Melanosomen interpretiert werden und damit Hinweise auf eine Federnatur geben, sind umstritten (Moyer et al. 2014, Lingham-Soliar 2015, 279 ff., Colleary et al. 2015).
  • Lingham-Soliar und Mitarbeiter sehen starke Indizien dafür, dass es sich bei den filamentösen Strukturen um Kollagenfasern der Haut handelt (Lingham-Soliar et al. 2007; 2012; 2014b; 2016); dies wird von den meisten Forschern jedoch bestritten.
Es ist keine Kontinuität zwischen faserigen Integumentstrukturen und flächigen echten Federn nachweisbar.

Aufgrund dieser Befunde gibt es auch skeptische Stimmen bezüglich der Federnatur des Dino-Flaums. So äußert sich Wellnhofer (2002, 474): „Natürlich muss man sich auch fragen, ob denn die überwiegend filamentöse Körperbedeckung der chinesischen Dinosaurier überhaupt etwas mit Vogelevolution zu tun hat, zumal auch bei anderen Reptiliengruppen, wie den Flugsauriern, ähnliche Strukturen (,Haare’ oder Fasern) gefunden wurden.“3

Zur Entstehung flächiger echter Federn können den faserigen Integumentstrukturen keine klaren Hinweise entnommen werden. Es ist keine Kontinuität zwischen faserigen Integumentstrukturen und flächigen echten Federn nachweisbar. Die im Zusammenhang mit Prums Modell üblich gewordene Bezeichnung des Dino-Flaums als „Federn“ ist suggestiv und durch dessen Kennzeichen nicht gerechtfertigt. Ob also die haarartigen, flaumigen Körperbedeckungen bei Dinosauriern in irgendeinem Zusammenhang mit der Entstehung echter, d. h. flächiger, Federn stehen, ist unbekannt und wird nicht durch die Befunde an den Integumentstrukturen nahegelegt.

Bei einer Reihe von Theropodengattungen, die systematisch in die Nähe der Vögel gestellt werden, wurden haarartige oder federähnliche Anhänge oder auch echte flächige Federn fossil nachgewiesen. Die mittlerweile bekannten fossilen Formen sollen sogar eine ziemlich lückenlose Abfolge verschiedener Stadien von einfachen Körperanhängen bis zur flächigen Vogelfeder belegen. Die Übergänge sind aber keineswegs glatt; es bestehen deutliche Unterschiede zwischen haarartigen, flaumigen (ggf. verzweigten) Anhängen und flächigen, flugtauglichen Federn. Bei der Beurteilung der fossilen Überlieferung muss berücksichtigt werden, was über die Feinstruktur und über die Verankerung in der Haut und in der Unterhaut bekannt ist. Flugtauglichkeit von Federn kann nur gewährleistet werden, wenn auch ein Follikel mit spezialisierter Muskulatur, Innervierung, Blutzufuhr usw. ausgebildet ist (vgl. Teil 1 dieser Artikelserie; Junker 2016). Es gibt Indizien dafür, dass manche flächigen Federn als Rückbildungen zu interpretieren sind; die betreffenden Formen wären damit flugunfähig gewordene Nachfahren von Vögeln. Die taxonomische Einordnung einiger befiederter fossiler Formen ist entsprechend umstritten. Zudem passen die unterschiedlich befiederten Gattungen stratigraphisch kaum in evolutionäre Abfolgen und es muss evolutionstheoretisch mit zahlreichen Konvergenzen gerechnet werden. Die Fossilüberlieferung der Theropoden-Dinosaurier ist daher insgesamt nur wenig geeignet, eine evolutionäre Entstehung echter (flächiger, flugtauglicher) Federn plausibel zu machen.

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„Nicht-Vogel-Dinosaurier“-Gattungen mit echten Federn
Abb. 3: Die 1860 in den Solnhofener Plattenkalken gefundene Feder (mutmaßlich von Archaeopteryx) ist knapp 6 cm lang, etwa 1 cm breit und besitzt eine betont asymmetrische Fahne, sie „ist in ihrem Aufbau von rezenten Vogelfedern nicht zu unterscheiden“ (Kremer et al. 2000, 323). (Bild: H. Raab, CC BY-SA 3.0)

In den letzten Jahren wurde eine Reihe von fossilen Funden sogenannter „Nicht-Vogel-Dinosaurier“ und „primitiver“ Vögel im Oberjura und in der Unterkreide gemacht, die flächige Federn und ein Federkleid besaßen, deren Flugfähigkeit aber unklar und umstritten ist. Zum Teil wird kontrovers diskutiert, ob diese Gattungen möglicherweise sekundär flugunfähige Vögel waren. Unter diesen Arten könnten am ehesten mögliche evolutionäre Zwischenstufen zu finden sein, daher sollen im Folgenden die Kenntnisse über die Körperanhänge dieser fossilen Formen kurz zusammengefasst werden (Details auch hierzu im Online-Zusatz; zur systematischen Stellung siehe Abb. 6.)

Archaeopteryx. Auch wenn der sogenannte „Urvogel“ Archaeopteryx normalerweise zu den Vögeln gerechnet wird, soll diese berühmte Gattung an dieser Stelle Erwähnung finden. Die systematische Stellung von Archaeopteryx ist umstritten; auch die Frage, ob er aktiv fliegen konnte, wird bis heute kontrovers diskutiert. Archaeopteryx ist eine der geologisch ältesten Formen, die eindeutig Konturfedern besaßen, die nach übereinstimmender Einschätzung der Bearbeiter „modern“ waren (vgl. Abb. 3). Flügel- und Schwanzfedern „sind in ihrer äußeren Form und ihrem strukturellen Aufbau von den Federn heutiger Vögel nicht zu unterscheiden“ (Wellnhofer 2002, 465).4

Nudds & Dyke (2010) veröffentlichten allerdings eine Studie, wonach verglichen mit heute lebenden Vogelarten die Schäfte der Archaeopteryx-Federn deutlich zu schwach für einen kontinuierlichen Ruderflug gewesen seien. Ihre Messdaten, Methodik und Schlussfolgerungen wurden jedoch von Paul (2010), Lingham-Soliar (2014a; 2015, 175f., 320f.) und Foth et al. (2014, 80) in Frage gestellt bzw. zurückgewiesen.

Troodontidae. Anchiornis huxleyi (Abb. 4) wurde in Oberjura-Schichten gefunden, die mit 151-161 Millionen radiometrischen Jahren etwas älter als Archaeopteryx datiert werden (Hu et al. 2009, Xu et al. 2009). Das Tier war mit ca. 35 cm Länge und geschätzten ca. 100 g Gewicht ziemlich klein und hatte gut ausgebildete Konturfedern an Armen und Beinen. Vorderarm, Hand, Unterschenkel und Fuß hatten jeweils 10-13 lange Schwungfedern. Außer den Konturfedern wurden auch daunenähnliche Büschelfedern nachgewiesen. Mittels Laserlicht5 neu rekonstruierte Details offenbarten jüngst überraschend „moderne“ Vogelmerkmale, darunter Reste einer kräftigen Hautmembran, die Ober- und Unterarme verbindet (Wang et al. 2017); dieser Befund legt nahe, dass das Tier entgegen bisheriger Auffassung flugfähig gewesen sein könnte (allerdings wurden keine asymmetrischen Federn nachgewiesen; vgl. den Beitrag auf S. 102 dieser Ausgabe). Die Flügel waren den Flügeln heutiger Vögel bemerkenswert ähnlich. Bezüglich der zeitlichen Stellung würde Anchiornis in eine Vorfahrenstellung zu den Vögeln passen, allerdings ist diese Gattung vierflügelig, was der Vorstellung widerspricht, dass Vögel von zweibeinig sich fortbewegenden Dinosauriern abstammen.

Jianianhualong aus der Yixian-Formation der Unterkreide Chinas ist außergewöhnlich, weil erstmals bei einem Troodontiden asymmetrische Federn nachgewiesen wurden. Sie waren bis zu 12 cm lang und bis 1 cm breit; allerdings sind nicht viele morphologische Details erkennbar. Federn sind entlang fast der ganzen Wirbelsäule, an den Armen, an den Beinen und am Schwanz erhalten, der als Fiederschwanz ausgebildet ist. Etwas ungewöhnlich ist, dass die Federn distal (am Ende) z. T. abgerundet und breiter sind als im proximalen (körpernahen) Bereich.

Flächige symmetrische Federn wurden auch bei den mutmaßlichen Troodontiden-Gattungen Jinfengopteryx aus der Unterkreide Chinas und bei der oberjurassischen Gattung Eosinopteryx aus der Tiaojishan-Formation Chinas nachgewiesen.

Oviraptorosauria. Der truthahngroße Protarchaeopteryx robusta aus der Yixian-Formation Chinas (Unterkreide) war an Brust, Oberschenkeln sowie an beiden Seiten des Wirbelschwanzes befiedert (Ji et al. 1998). Auch Halbdaunen und daunenartige Federn wurden gefunden (Ji et al. 1998, 760f.; Xu & Guo 2009). Die körperfernsten Federn sind modern mit zentralem Schaft, von dem symmetrisch zu beiden Seiten Federäste abzweigen, die eine Fahne bilden (Norell & Xu 2005, 286; vgl. Witmer 2002, 11). Die Konturfedern waren symmetrisch und das Armskelett war nur gut halb so lang wie das Beinskelett; aus beidem folgt, dass Protarchaeopteryx kein aktiver Flieger sein konnte. Die Federn waren bis zu 5 cm lang; nur die (nicht vollständig erhaltenen) Schwanzfedern waren vermutlich bis über 15 cm lang. Einige Forscher sind der Auffassung, dass es sich um einen flugunfähig gewordenen Vogel handelt (Peters 2001, 400; Martin & Czerkas 2000, 691; Feduccia 2012, 175).6

Große Ähnlichkeit zu Protarchaeopteryx zeigt Caudipteryx („Schwanzfeder“, Abb. 4) mit der relativ geringen Länge von 70 cm. Schwungfedern sind fossil erhalten am zweiten Mittelhandknochen und Finger sowie am Ende der Schwanzwirbelsäule (Ji et al. 1998), außerdem scheinen Schwungfedern entlang der Vorderarme erhalten zu sein (Xu & Guo 2009, 316). Die längste Feder ist etwa 16 cm lang.7 Der Federschaft ist gut entwickelt, die Federfahne symmetrisch. „Der übrige Körper scheint von kleinen Kontur- und Dunenfedern bedeckt gewesen zu sein“ (Wellnhofer 2002, 470). Wegen der Kleinheit der Federn und der Vorderextremitäten konnte Caudipteryx wie Protarchaeopteryx nicht flugfähig gewesen sein (Peters 2002, 349); möglicherweise war auch diese Gattung sekundär flugunfähig (Martin & Czerkas 2000, 691; Jones et al. 2000; Wellnhofer 2002, 470; Osmólska et al. 2004).

Auch die Oviraptorosauria-Gattungen Nomingia und Gigantoraptor aus der Oberkreide sollen Federn besessen haben; sie sind allerdings nicht direkt nachgewiesen, sondern ihre Existenz wird indirekt aus anatomischen Merkmalen erschlossen (Osmólska et al. 2004, 182; Barsbold et al. 2000).

Abb. 4: Einige voll gefiederte „Nicht-Vogel-Dinosaurier“: Oben: Anchiornis (Troodontidae; links), Caudipteryx (Oviraptoridae); unten: Changyuraptor (Dromaeosauridae, links), Zhenyuanlong (Dromaeosauridae). (Anchiornis: Museum für Naturkunde, Berlin, CC-BY-SA 4.0; Caudipteryx: James Reece © Australian Museum, http://australianmuseum.net.au; Changyuraptor, Zhenyuanlong: Emily Willoughby, CC BY-SA 4.0)

Dromaeosauridae. Eine Reihe von Gattungen mit flächigen Federn wird zu den Dromaeosauridae gestellt. Microraptor gui (ca. 77 cm Gesamtlänge, Abb. 1) aus der Unterkreide erlangte einige Aufmerksamkeit, weil es sich sehr wahrscheinlich um einen Doppeldecker-Flieger handelt, einen Bauplan also, der in dieser Hinsicht nicht vogeltypisch ist, da beide Extremitätenpaare zum Fliegen, vermutlich einem Gleitflug mit Auf- und Abschwingen, dienten (Chatterjee & Templin 2007). Microraptor gui war mit zum Teil asymmetrischen, langen Schwungfedern an den Vorderarmen, an der Hand, am Schienbein, am Metatarsus und an der vorderen Hälfte des Schwanzes befiedert. Der ganze Körper war mit 25-30 mm langen daunenartigen Federn bedeckt, das Federkleid insgesamt vogelartig (Xu et al. 2003; Wellnhofer 2003, 208f.). Prum (2003, 323) bezeichnet die Konturfedern als „fully modern“. Bemerkenswerterweise gehört ausgerechnet die gefiederte Gattung Microraptor zu den ältesten Dromaeosauriden.

Eine weitere Dromaeosauriden-Gattung, bei der Konturfedern nachgewiesen wurden, ist der ebenfalls vierflügelige Changyuraptor (Abb. 4) aus der Unterkreide Chinas (Yixian-Formation), der mit ca. 1,30 m Länge und einem geschätzten Gewicht von ca. 4 kg ziemlich groß war (Han et al. 2014). Noch etwas größer war Zhenyuanlong (Abb. 4) (ebenfalls Yixian-Formation der Unterkreide Chinas); es handelt sich um die größte Dinosaurier-Gattung mit Federn, die der Fiederung heutiger Vögel gleichen (Lü & Brusatte 2015). Einige Merkmale sprechen allerdings dafür, dass es sich um einen sekundär flugunfähigen Vogel handelt. Das vermuten Czerkas & Feduccia (2014, 2) und Czerkas et al. (2002, 118) für alle Dromaeosaurier, was aber eine Minderheitenmeinung ist.

Bei anderen Gattungen der Dromaeosauriden (Unenlagia, Velociraptor) wird Befiederung aufgrund indirekter Indizien vermutet (Novas & Puerta 1997, 391; Turner et al. 2007). So wurden bei Velociraptor Ansätze (quill knobs) für zwölf Federkiele der Armschwingen entdeckt; diese Papillen befinden sich an den Stellen, an denen sie auch bei heutigen Vögeln vorkommen. Federn selber wurden allerdings nicht direkt nachgewiesen. Turner et al. (2007) halten es für möglich, dass es sich um Reste von kleineren, möglicherweise flugfähigen Vorfahren handelt.8

Gattungen unklarer systematischer Stellung. Von der Gattung Pedopenna aus dem Oberjura Chinas sind nur die Hinterbeine fossil überliefert (Xu & Zhang 2005); sie wird zu den Maniraptoren (vgl. Abb. 6) gestellt; eine genauere Zuordnung ist unsicher (Sullivan et al. 2014). Sie hat ihren Namen von langen symmetrischen Konturfedern, die an ganzer Länge am Metatarsus ansetzen. Lange Konturfedern an den Beinen werden als Indiz für einen vierflügeligen Gleitflug gewertet (Czerkas & Feduccia 2014, 844; Xu & Zhang 2005, 173).

Die im Jahr 2011 beschriebene Gattung Xiaotingia aus der oberjurassischen Tiaojishan-Formation Chinas erlangte einige Bekanntheit, weil ihr Einbezug in die stammesgeschichtliche Analyse dazu führte, dass Archaeopteryx näher zu den Deinonychosauriern als zu späteren Vögeln gestellt wurde (Xu et al. 2011), was später jedoch revidiert wurde (Turner et al. 2012). Sullivan et al. (2014) berichten von einem undeutlich erhaltenen Gefieder mit besonders langen Federn am Femur. Auch an den Phalangen des Fußes sind Federn nachweisbar.

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Systematische Positionen der Dino-Gattungen mit Flaum

Bis vor nicht allzu langer Zeit hätte wohl jeder Biologe zugestimmt, dass aufgrund der Komplexität der Federn diese nur einmal evolutionär entstanden sein könnten (siehe Kasten 2). Aufgrund der Verteilung von Gattungen mit Federn oder federartigen Strukturen im System der Dinosaurier ist diese Überzeugung aber nicht mehr unangefochten, auch für echte flächige Federn. „Flügel mit asymmetrischen Schwungfedern entstanden im Verlauf der Evolution mehrmals“ (Foth et al. 2015, 28; vgl. Brusatte et al. 2015, 8929). Das stellt nicht-zielgerichtete evolutionäre Mechanismen vor noch größere Herausforderungen als die Erklärung einer einmaligen Entstehung.

Bis vor kurzem schien klar, dass Federn nur einmal entstanden sein können, wie folgende Zitate zum Ausdruck bringen:

„The complex structure of feathers provides good evidence that feathers arose only once in birds and that essentially all of their major features were in place before the major dichotomy of birds into the Sauriurae (Archaeopteryx and the enantiornithine birds) and the Ornithurae, …“ (Martin & Czerkas 2000, 688).

„The complex structure of avian feathers, including all information from fossilized feathers such as those present in Archaeopteryx, suggests strongly that feathers evolved only once in the history of the Vertebrata. This conclusion is based on the complicated morphology present in all feathers, as well as their particular and intricate mode of embryological development“ (Bock 2000a, 480) .

„It is unlikely that a feature as unusual as feathers evolved twice“ (Wellnhofer, zit. in Gibbons 1996, 720).

„… he [Ruben] and most other scientists think structures as specialized as feathers must have evolved only once, …“ (Stokstad 2000, 2125).

Das Merkmal „haar- bzw. flaumartige Körperbedeckung“ scheint als „Wegweiser“ für evolutionäre Zusammenhänge ungeeignet zu sein.

Gattungen mit filamentöser Körperbedeckung sind im System der Dinosaurier weit verbreitet und in vielen Fällen nicht näher verwandt (Abb. 6); einige Gattungen gehören sogar zur Dinosaurier-Untergruppe der Ornithischia (Vogelbeckensaurier), die im System weit entfernt von den Vögeln stehen. Ornithischia sollen sich schon sehr früh (in der Mittel-/Obertrias) von den Saurischia getrennt haben. Diese weite Verbreitung wirft die Frage auf, welche Aussagekraft dieses Merkmal bezüglich phylogenetischer Zusammenhänge und bezüglich seiner Bedeutung als mögliche Federvorstufe überhaupt hat. Die Verteilung der Gattungen mit Dino-Flaum im System der Dinosaurier kann evolutionär nur so erklärt werden, dass entweder haar- bzw. flaumartige Anhänge mehrfach unabhängig entstanden sind oder dass sie bereits an der Basis der Dinosaurier auftraten (Mayr et al. 2002, 36410; Martyniuk 2012, 1611; Godefroit et al. 2014, 45112) und mehrfach wieder verloren gingen (Rauhut et al. 2012, 1175013; Xu et al. 2004, 683). Denkbar wäre auch, dass haarartige Anhänge bei Dinosauriern viel verbreiteter sind als bisher nachgewiesen, jedoch in den meisten Fällen fossil nicht erhalten geblieben sind. In jedem Fall erscheint dieses Merkmal als „Wegweiser“ für evolutionäre Zusammenhänge ungeeignet.

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Dinosaurier-Gattungen mit Flaum und Federn im Cladogramm und in der Stratigraphie
Abb. 5: Feder- bzw. Flaumtypen fossiler Gattungen von Dinosauriern, angeordnet in einem vereinfachten Cladogramm. Die Varianten 1-5 als Federn zu bezeichnen ist gemessen an einer realistischen Definition von „Vogelfeder“ kaum gerechtfertigt (vgl. Kasten 1). Zwischen Stadium 5 und Stadium 8 besteht ein erheblicher morphologischer Unterschied. Stadien 6 und 7 sind spezielle Federtypen (s. Text), die nicht in eine evolutive Abfolge passen.

Das „?“ zeigt Unsicherheiten aufgrund schlechter Erhaltung an, ob die betreffenden Federtypen ausgebildet waren. In der zweiten Spalte sind die jeweils sicher nachgewiesenen und jeweils komplexesten Federtypen der jeweiligen Gruppen angegeben. Näheres im Text. (Aus Xu et al. 2010; rechte Textspalte ergänzt)

Xu et al. (2010) veröffentlichten ein Cladogramm (Abb. 5) von Dinosaurier-Gruppen mit Federn oder federartigen Strukturen, die sie verschiedenen Federtypen zuordneten (wobei dem Modell von Prum entsprechend auch Strukturen der Art von Stadium 1-3 als Federn bezeichnet werden). Dabei wurden nicht nur die 5 Stadien des Modells unterschieden, sondern auch spezielle Federtypen aufgenommen wie lange, abgeflachte Filamente (s. o. Beipiaosaurus) oder bandartige Federn mit konturfederartiger Spitze. Außerdem wurden die Stadien 1 und 3 noch differenziert, sodass insgesamt 9 Typen von Integumentstrukturen unterschieden wurden.

Auf den ersten Blick passt das Cladogramm sehr gut zu einer wachsenden Komplizierung der Federn. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass es eine deutliche Trennung zwischen Flaum und echten Federn gibt, insbesondere wenn die Unsicherheiten bei den Therizinosauroidea (Beipiaosaurus), Compsognathidae (Sinosauropteryx) und Tyrannosauroidea (Dilong, Yutyrannus) in Rechnung gestellt werden („?“ in der linken Spalte).14 Nach den in der Fachliteratur vorliegenden Beschreibungen sind bei den betreffenden Gattungen nur filamentöse Integumentstrukturen nachgewiesen.

Abb. 6: Theropoden-Gattungen mit Flaum (blaue Balken) und mit echten Federn (rote Balken). Bei Gigantoraptor, Nominigia, Unenlagia sind Federn allerdings nicht direkt nachgewiesen worden, sondern werden aufgrund indirekter Indizien als wahrscheinlich angesehen. Nicht eingetragen sind wegen unklarer systematischer Stellung Pedopenna und Yixianosaurus. Es fehlen auch die Gattungen mit Flaum, die zu den Ornithischia, der anderen Untergruppe der Dinosaurier, gehören.

Weiter muss man in Abb. 5 berücksichtigen, dass bei dem Vergleich zwischen verschiedenen Taxa die jeweils anspruchsvollste Federausprägung zugrunde gelegt werden muss. Beachtet man beide Aspekte, dann zeigt sich ein enormer Sprung zwischen den Therizinosauroidea und den Oviraptorosauria (von Stufe 2 zu Stufe 8). Dazu kommt, dass es gute Gründe für die Deutung der Oviraptorosauria und Troodontidae als sekundär flugunfähig gibt (s. o.). Dann gäbe es sogar einen Sprung von Stufe 2 zu Stufe 9. Lediglich Sinornithosaurus könnte diesen Sprung überbrücken, da möglicherweise Typen 3 und 5 vorkommen (siehe Diskussion dazu bei Sinornithosaurus).

Abb. 6 zeigt ein aktuelles Cladogramm, in dem auch die stratigraphischen Positionen der „Nicht-Vogel-Dinosaurier“-Gattungen und von Archaeopteryx berücksichtigt sind. In dieser Darstellung wird deutlich, dass die Gattungen mit Dino-Flaum systematisch weit verteilt sind, wobei Abb. 6 nur Theropoden-Dinosaurier beinhaltet. Es kommen wie oben dargestellt weitere Gattungen aus dem Ornithischia hinzu. Dazu kommen in der Unterkreide noch zahlreiche weitere Gattungen mit voll ausgebildeten Federn wie Jeholornis, Sapeornis und die großen Gruppen der Enantiornithes („Gegenvögel“) und Ornithurae („Vogelschwänze“).

Aus der Verteilung geht hervor, dass es keine klare Korrelation zwischen cladistischer Stellung und stratigraphischer Position gibt. Es ist auch keine evolutionär passende zeitliche Abfolge von Gattungen mit haaratigen Körperbedeckungen zu solchen mit echten flächigen Federn erkennbar. Gemessen am zeitlichen Auftreten kann eine evolutionäre Entwicklung von filamentösen oder büscheligen „Protofedern“ („Dino-Flaum“) hin zu flächigen Federn nicht nachvollzogen werden.

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Arten mit speziellen Federtypen
Abb. 7: Bandartige Federn bei Epidexipteryx. (Rekonstruktion, Foto: LWL-Museum für Naturkunde)

Neben haarartigen Integumentstrukturen und Konturfedern, die als Stadien des Federentstehungsmodells von Prum interpretiert werden können, sind von fossil überlieferten Vögeln und Dinosauriern auch spezielle Federtypen bekannt. Einer dieser ungewöhnlichen Federtypen wird als „proximately ribbon-like pennaceous feathers“ (mit PRPF abgekürzt) bezeichnet, was man als „Konturfedern mit körpernaher bandartiger Ausprägung“ übersetzen könnte. Gemeint sind damit Federn, die bandartig lang, am Ende jedoch konturfederartig flächig sind. Bemerkenswerterweise muss evolutionstheoretisch eine mindestens vier Mal unabhängige Entstehung dieses Federtyps angenommen werden (Xu et al. 2010): bei den Confuciusornithiden, bei einigen Enantiornithinen („Gegenvögel“), beim Oviraptorosauriden Similicaudipteryx (Prum 2010) und dem Dromaeosaurier Epidexipteryx, der am Schwanz vier bis zu 19 cm lange bandartige Federn besaß (Zhang et al. 2008; Abb. 7).

„Das Gefieder der Paraves war bereits im Oberjura vielfältig ausgebildet, offenbar an verschiedene ökologische Nischen angepasst“ (Godefroit et al. 2013).15

Außer den PRPF wurde ein weiterer Typ von bandartigen Federn entdeckt, sogenannte „elongate broad filamentous feathers“ (EBFF), d. h. „verlängerte breite fadenförmige Federn“, bei denen wie bei den PRPF eine Schaufunktion vermutet wird. So wurden bei Beipiaosaurus außer kurzen, faserigen Federn auch bis zu 15 cm lange schmale bandartige Anhänge gefunden, die unverzweigt und relativ steif waren; sie weisen damit Ähnlichkeiten mit Anhängen von Psittacosaurus und einiger Flugsaurier auf (Xu et al. 2009, 834; Clarke 2013, 690).

Ein weiterer Mosaikstein der großen Vielfalt bei den ältesten fossilen Vögeln und nahestehenden Dinosauriern ist auch der Befund ontogenetischer Unterschiede bei Federn von Similicaudipteryx, ein Phänomen, das sonst bei Vögeln nicht bekannt ist (Xu et al. 2010, 1339).

Insgesamt kann man feststellen, dass eine Vielfalt von Federtypen früh etabliert war und dass diese Vielfalt recht abrupt auftritt. Diese Vielfalt übertreffe sogar die Vielfalt heutiger Federtypen, meinen Xu et al. (2010, 1338): „In Verbindung mit der weiten Verbreitung bandartiger flächiger Federn und verlängerter breiter filamentöser Federn unter ausgestorbenen Theropoden legt dieser Fund nahe, dass frühe Federn entwicklungsbiologisch vielfältiger waren als moderne und dass einige entwicklungsbiologische Fähigkeiten und die entsprechenden Gestaltstypen in der Federevolution verloren gingen.16

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Fazit
  • Einige Gattungen mit echten Federn werden geologisch früher überliefert als die meisten Gattungen mit haarartigem „Dino-Flaum“ („Proto­federn“). Einige Gattungen mit Dino-Flaum (Scansoriopterygiden, Kulindadromeus, Aurornis) sind etwa zeitgleich wie die ältesten Gattungen mit Konturfedern fossil überliefert.

  • Aufgrund der systematischen Positionen der Gattungen mit Dino-Flaum und mit echten Federn muss entweder konvergente Entstehung des Dino-Flaums angenommen werden oder dessen frühe Entstehung mit entweder nachfolgendem Verlust oder verbreitetem Fehlen einer fossilen Überlieferung bei zahlreichen Gattungen, bei denen Dino-Flaum oder echte Federn nicht gefunden wurden.17

  • Haarartige Integumentanhänge könnten daher bereits an der Basis der Dinosaurier (in der Trias) ausgebildet gewesen sein (Clarke 2013, 69018; Xu et al. 2009, 83419) und hätten dann keine Indizienkraft bezüglich der Entstehung von Vogelfedern.

  • Zwischen Dino-Flaum und echten Federn ist ein deutlicher Sprung zu verzeichnen (Zhou 2004, 461).20 Zhang et al. (2006, 395) sind der Auffassung, dass Federn und „federartige“ Strukturen in zwei größere Strukturkategorien fallen: mit Schaft oder ohne Schaft.21 (Echte) Federn seien zudem schon immer „fertig“ und kaum von Federn heutiger Vögel unterscheidbar (Zhang et al. 2006, 395, 398, 400).22 In diesem Sinne äußern sich Kaiser & Dyke (2015, 607): „Hinweise sowohl aus dem Fossilbericht als auch bei heute lebenden Vögeln legen nahe, dass alle gefiederten Flügel denselben Grundbauplan widerspiegeln.“23 Der Vogelflügel sei eine extrem konservierte (kaum veränderliche) Struktur, vermutlich bedingt durch strikte Begrenzungen aufgrund der Aerodynamik (Kaiser & Dyke 2015, 613).24

  • Die symmetrischen Federn von Caudipteryx und Protarchaeopteryx eignen sich kaum als Vorstufen für asymmetrische, flugtaugliche Federn. Zum einen treten diese beiden Gattungen in der Fossilabfolge deutlich später auf als Archaeopteryx und Anchiornis, zum anderen gibt es anatomische Hinweise darauf, dass es sich um sekundär flugunfähige Formen handelt.

  • Die frühere Erwartung einer nur einmaligen Entstehung von Federn wird zunehmend in Frage gestellt. Mindestens eine Konvergenz verschiedener Federtypen muss angenommen werden. Aber auch eine konvergente Entstehung von Konturfedern ist nicht mehr tabu. Foth et al. (2015, 30) stellen fest, dass sich abzeichne, dass das „Flugvermögen vermutlich mehrmals getrennt in verschiedenen Zweigen von gefiederten Raubdinosauriern“ entstand.

  • Die größte Vielfalt an unterschiedlichen, z. T. heute nicht mehr vorkommenden Integumentanhängen (Dino-Flaum, bandartige Federn, Konturfedern) ist zu Beginn der fossilen Überlieferung der betreffenden Formen verwirklicht.

  • Insgesamt zeigt sich: Eine evolutive Entstehung der Federn wird aus folgenden Gründen durch den Fossilbericht kaum unterstützt: Ein allmählicher Übergang zu Konturfedern ist nicht belegt; die geologisch ältesten Formen mit haarartigen oder flächigen Federn treten etwa gleichzeitig auf; die Vielfalt der Federtypen war etwa zu Beginn der Fossilüberlieferung gefiederter Formen am größten.
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Studium Integrale Journal 24. Jg. Heft 2 - Oktober 2017