Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 12. Jg. Heft 2 - Oktober 2005
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Methanproduzierende Bakterien auf dem Mars?

von Wolfgang B. Lindemann

Studium Integrale Journal
12. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2005
Seite 70 - 72





Einführung
Abb. 1: Der Mars aufgenommen vom Hubble-Weltraumteleskop im Jahr 2001. (imgsrc.hubblesite.org)
Abb. 2: Spektrum vom Mars emittierten Infrarotlichtes der Wellenlänge 3.30 bis 3.33 mm gemessen vom PFS im Marsorbit. Aufgetragen ist die Lichtintensität gegen die Wellenlänge, angegeben als deren Kehrwert der Wellenzahl. Methan wird bei der Wellenzahl 3018 cm–1 identifiziert. Es finden sich 3 Wasserlinien (3003.5, 3022, 3026 cm–1) und zwei Sonnenlichtlinien (3012 und 3014 cm–1). Der Intensitätsabfall von links nach rechts ist bedingt durch Wassereiswolken in der Atmosphäre. A: Messung Januar-Februar 2004, B Messung Mai 2004. Aus Formisano (2004)

Methan wird auf der Erde von Archaebakterien produziert – beispielsweise im Pansen von Wiederkäuern oder bei Fäulnisprozessen, kann aber auch abiotisch z.B. aus Vulkanen freigesetzt werden und ist Hauptbestandteil von Erdgas und Biogas.

Die Marsatmosphäre besteht zu etwa 95% aus Kohlendioxid, 2,7% Stickstoff, 1,6% Argon, der Rest aus Sauerstoff, Wasser, Krypton und Xenon. An der Oberfläche herrscht nur ein Druck von 5mbar. Nun wurden auf dem Mars in mehreren Beobachtungen irdischer Teleskope sowie vom Planetary Fourier Spektrometer (PFS), das im Infrarotbereich arbeitet und derzeit mit der europäischen Raumsonde Mars Express den Mars umkreist, geringe Mengen Methan gefunden: In der Marsatmosphäre befinden sich durchschnittlich 0,01 +/– 0,005 parts per million (ppm) Methan, die Menge variiert über dem Planeten zwischen 0 und 0,03 ppm.

Ein Methanmolekül wird unter den Bedingungen des Mars nach durchschnittlich 340 Jahren spontan gespalten, daher ist eine ständige Neubildung erforderlich – etwa 126 Tonnen pro Jahr –, um die beobachteten Konzentrationen konstant zu halten.

Das Methan wurde indirekt anhand der Intensität des vom Mars emittierten Infrarotlichts einer Wellenlänge von etwa 3,31 mm nachgewiesen, an der Methan absorbiert (Abb. 2). Andere Ursachen für diese Intensitätsminderung wurden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen.

Irdische Teleskope haben vergleichbare Methanmengen festgestellt. Eine Methankonzentration von 0,01 ppm entspricht dem toxikologischen Grenzwert von Quecksilber, der an Arbeitsplätzen maximal in einer Konzentration von 0,01 ppm oder 0,1 mg/m3 vorliegen darf; von dem Gift Arsen dürfen sogar 0,05 ppm = 0,2 mg/m3 vorliegen. In der Erdatmosphäre sind 1,7 ppm Methan vorhanden, übrigens doppelt soviel wie vor 200 Jahren. Da aber die Dichte der Marsatmosphäre viel geringer als die der Erdatmosphäre ist, ist die absolute Zahl Methanmoleküle pro Volumeninhalt geringer – es sind also wirklich kleinste Mengen.

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Woher stammt das Methan?

Ständig auf den Mars aufschlagende kleine Meteoriten können nicht genug Methan bereitstellen, allerdings kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß vor einigen tausend Jahren der Einschlag eines größeren Kometen (Durchmesser einige hundert Meter) eine hinreichende, seitdem ständig abnehmende Methanmenge freigesetzt hat (Formisano 2004) – dann müßten die beobachteten Methankonzentrationen mit der Zeit abnehmen.

Abb. 3: Der Olympus Mons des Mars, mit 27 km Höhe der höchste Berg des Sonnensystems. Entweicht aus seinen Spalten Methan? (http://astro.vision.free.fr/download/fonds/10/olympus_mons1b.jpg)

Lebewesen. Die interessanteste Hypothese ist zweifellos die Freisetzung von Methan durch Lebewesen (Krasnopolsky 2004): Methan wird auf der Erde in Stoffwechselreaktionen wie 4CO + 2H2O › CH4 + 3 CO2 oder 4H2 + CO2 › CH4 + 2H2O produziert. Angesichts der äußerst unwirtlichen ökologischen Verhältnisse des Mars erwartet man von vornherein nur isolierte Einzeller als Methanproduzenten. Das Methan der Erdatmosphäre entstammt fast ausschließlich biologischer Produktion. Die Marsatmosphäre enthält etwa 700 ppm CO und 40-50 ppm H2. Würden diese hypothetischen Marseinzeller ähnliche Leistungen wie irdische methanproduzierende Archaebakterien zeigen, wären insgesamt minimal 20 Tonnen von ihnen nötig, damit das nachgewiesene Methan von ihnen produziert werden kann. Bereits jetzt ist bekannt, daß Methan vermehrt in wasserreichen Gebieten auftritt. Es liegt allerdings zu wenig Methan vor, um von Organismen hergestellt zu sein, die auf dem ganzen Planeten vorkommen. Die hypothetischen Mikroorganismen müßten daher nur in einzelnen „Oasen“ konzentriert sein, am ehesten auch tief unter der ständig gefrorenen, durch UV-Strahlung lebensfeindlichen Oberfläche, während der große Rest des Planeten steril wäre – die Vikingsonden konnten 1976 mittels mitgeführten geeignet erscheinenden Nährmedien kein Leben finden. Wasser stände im Boden zur Verfügung, CO und H2 könnten hineindiffundieren. Methan verteilt sich sehr rasch in der Atmosphäre, aber man hofft trotzdem noch mit dem PFS lokale Maxima feststellen zu können, die auf Bildungsstätten schließen lassen könnten.

Vulkane. Eine weitere mögliche Quelle für das Methan sind Magma-Wasser-Reaktionen (Lyons 2005): zwar gibt es auf dem Mars derzeit keinen Vulkanismus mehr, aber der Olympus Mons (Abb. 3), ein gigantischer Vulkan und mit 27 km Höhe der höchste Berg des Sonnensystems, war noch vor 100 Millionen Jahren Standardzeitrechnung aktiv. Das ist geologisch gesehen eine geringe Zeitspanne. Vulkanische Aktivität kann nicht einfach „abgeschaltet“ werden: es wäre vorstellbar, daß weiterhin Methan durch Spalten im Berg entweicht (Formisano 2004), auch wenn die benötigten Mengen doch recht groß scheinen, um aus dieser Quelle stammen zu können.

Abb. 4: Der 1984 im antarktischen Eis gefundene Meteorit ALH84001. Vermeintliche Lebensspuren hielten der Prüfung nicht stand.

Gesteine. Schließlich kann Methan auf verschiedene Weise aus Gesteinen freigesetzt werden, z.B. aus Basalt bei niedrigen Temperaturen oder mit einem Fe-Cr-Oxid-Katalysator aus CO2 und H2O bei 390 °C und 400 bar Druck. Wenn Olivin, ein Orthosilikat der Summenformel (Mg, Fe)2SiO4 unter hohem Druck erhitzt wird, reagiert es mit Wasser und Kohlendioxid unter Methanbildung und wird dabei zu Serpentin umgewandelt – die nötigen Bedingungen bestehen einige Kilometer unter der Marsoberfläche. Um die vorliegenden Methanmengen zu erzeugen, müßten jährlich 800.000 Tonnen Olivin dieser „Serpentinisierung“ (= Verwitterung) unterliegen; über das gesamte postulierte Marsalter von 4,5 Milliarden Jahren wäre eine Olivinmasse entsprechend einer planetenumspannenden Schicht von 50cm Dicke notwendig – ein Millionstel der Marsmasse (Oze & Sharma 2005). Olivin wurde bereits in Marsmeteoriten gefunden, sowohl von der Marslandesonde „Opportunity“, die wie ihre Schwester „Spirit“ derzeit auf dem Mars aktiv ist, als auch von Raumsonden auf einer Marsumlaufbahn. Ein an der Oberfläche liegendes Olivinvorkommen der Größe Kubas wurde entdeckt, das wahrscheinlich durch vulkanische Aktivität nach oben gelangt ist. All das spricht für ein reichliches Vorkommen dieses auf der Erde häufigen Minerals auch auf dem Mars. Als gesichert gälte diese Theorie, wenn einer der Marsrover „Spirit“ und „Opportunity“ Serpentin finden sollte.

Es müßten bei „geologischer“ Herkunft auch andere gasförmige Kohlenwasserstoffe hergestellt werden wie etwa Äthan: folgerichtig bestehen bereits Planungen, im Jahre 2010 mit einem weltraumbasierten Infrarotteleskop auf die Suche danach zu gehen.

Man kann gespannt sein, wie sich die weitere Diskussion entwickelt. Die biologische Entstehung des Methans ist nach derzeitigem Kenntnisstand auf jeden Fall nur eine von mehreren Möglichkeiten.

Positiv ist festzuhalten, daß sich das Szenario um die vermeintlichen Bakterien im Mars-Meteoriten ALH 84001 (Abb. 4) nicht wiederholt hat: „Wir konnten eine typische Abfolge bei der Präsentation solcher Sensationsfunde erleben: zuerst kommt die publizistische Vermarktung, und dann – von der Öffentlichkeit nicht mehr beachtet – die seriöse wissenschaftliche Aufarbeitung – mit eventuell ernüchternden Ergebnissen, die kaum noch jemand wahrnimmt“ (Pailer 1999, 43). Bisher besteht jedenfalls kein hinreichender Grund, Leben nicht mehr an ganz besondere Bedingungen gebunden zu sehen (Pailer & Kasemann 2000).

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Literatur

Ball P (2004)
Methane found on Mars. Volcanoes likely source of gas. Nature News vom 30. 4. 2004 www.nature.com/news/2004/040329/full/040329-5.html
Formisano V, Atreya S et al. (2004)
Detection of Methane in the Atmosphere of Mars. Science 306, 1758-1761.
Krasnopolsky VA, Maillard JP & Owen TC (2004)
Detection of methane in the martian atmosphere: evidence for life? Icarus 172, 537-547.
Lindemann WB (1999)
Hinweise auf Lebensspuren im Mars-Meteoriten ALH84001 nahezu widerlegt, Stud. Int. J. 6, 31-33.
Lyons JR, Manning C & Nimmo F (2005)
Formation of methane on Mars by fluid-rock interaction in the crust, Geophysical Research Letters 32, L13201.
Oze C & Sharma M (2005)
Have olivine, will gas: Serpentinization and the abiogenic production of methane on Mars, Geophys. Res. Lett. 32, L10203.
Pailer N (1999)
Neue Horizonte der Planetenerkundung. Neuhausen-Stuttgart.
Pailer N & Kasemann M (2000)
Kein Platz für Außerirdische? Die Suche nach Nischen für extraterrestrisches Leben. Stud. Int. J. 7, 11-18.
Peplow M (2004)
Martian methane hints at oases of life. Microbe population estimated, but space community is inconvinced. Nature News vom 21. 9. 2004 www.nature.com/news/2004/040920/full/040920-5.html
Peplow M (2005)
Martian methane could come from rocks. Olivine is enough to explain ‘whiff of life’ claim geologists. Nature News vom 2. 6. 2005 www.nature.com/ news/2005/full/050531-10.html

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