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Welche Beobachtungen haben zu dieser Korrektur der absoluten Zeitskala geführt und warum sind die Datierungen überhaupt so nachgiebig? Datiert werden zumeist magmatische Gesteine, d.h. vulkanische Gesteine wie erstarrte Laven und Aschen oder Tiefengesteine, die inzwischen durch geologische Prozesse an die Erdoberfläche gelangten. Solches Gestein ist im älteren Paläozoikum, das die Systeme Kambrium, Ordovizium und Silur umfaßt, eher selten. Deshalb gründeten die früheren absoluten Altersangaben auf wenigen Messungen (siehe auch Kasten 1). Zwischen diesen Meßpunkten wurde interpoliert, wobei z.B. die Sedimentmächtigkeit geteilt durch die vermutete Sedimentationsrate mehr oder weniger verläßliche Zwischenwerte lieferte.
Nur wenige Datierungen stützten noch den ursprünglichen Wert von 600 Ma für die Grenze Präkambrium/Kambrium, darunter Gesteine von zwei Sektionen aus dem Unteren Kambrium in China. Die Rubidium/Strontium-Alter von 587 ± 17 Ma und 588 ± 13 Ma dieser Gesteine lassen sich aber durch eingeschwemmte ältere Minerale erklären (Compston et al. 1992). Die Datierung von Zirkonen aus einer stratigraphisch älteren Schicht in der Nähe von Kunming (China) erbrachte dagegen einen viel jüngeren Wert von 525 ± 7 Ma (Compston et al. 1992). Die gleichen Autoren berichten auch von Datierungen an Zirkonen aus einem wenige Zentimenter mächtigen Tuff der Lie de Vin Formation (Tommotian) in Marokko. Das ermittelte Alter von 521 ± 7 Ma stützt die Werte von Odin et al. (1983). In den letzten Jahrzehnten haben sich die Geologen vermehrt den Details gewidmet, viele Profile wurden Zentimeter für Zentimeter aufgenommen. Dabei stellte sich heraus, daß dünne Lagen vulkanischer Aschen häufiger auftreten als früher vermutet. Von besonderer stratigraphischer Bedeutung sind die mitunter kontinentweiten Ablagerungen gewaltiger Vulkanausbrüche. Läßt sich eine Aschenschicht geochemisch einwandfrei einem vulkanischen Ereignis zuordnen, kann sie unter Umständen als Kontrolle der biostratigraphischen Stellung dienen. Parallel dazu wurden die Datierungsmethoden verfeinert. So sollten die Wechselfolgen datierbarer vulkanischer Aschen mit fossilhaltigen Ablagerungen die Aufeinanderfolge der Schichten wiedergeben. | ![]() |
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Von den Bestandteilen vulkanischer Aschen ist das Mineral Zirkon besonders für Datierungen geeignet. Zirkone sind gegen nachfolgende thermische Ereignisse oftmals resistent. Zu den in das Mineral eingebauten Spurenelementen gehört auch das Uran. Die Datierung der Zirkone erfolgt mittels der sog. Uran/Blei-Methoden (siehe Kasten 2). Die unabhängigen Ergebnisse der 2 Zerfallsreihen, zum einen 238U/206Pb, zum anderen 235U/207Pb, sollten nun die gleichen Alter liefern. Mit dem Verhältnis der stabilen Bleiisotope 207Pb und 206Pb steht noch eine dritte Datierungsmethode zur Verfügung (siehe Kasten 3). Die heutigen Verfahren zur Isotopenmessung sind so präzise, daß selbst geringe Bleigehalte bis 10-12 g in einem Zirkonmineral bestimmt werden können. Führen alle drei Methoden zum gleichen (konkordanten) Alter, so zeigt dies an, daß das System nach der Kristallisation geschlossen war. Diese Bedingung ist jedoch nicht immer erfüllt, besonders das Blei diffundiert mit der Zeit aus der Probe heraus. Bleibt das Uran in der Probe, erhält man folglich zu junge Alter. Da vom Bleiverlust aber alle Pb-Isotope betroffen sind, sollte das an den Verhältnissen 207Pb/204Pb und 206Pb/204Pb nichts ändern. Deshalb gelten die 207Pb/206Pb-Alter im Zweifel als zuverlässiger. Die Probe kann aber auch ererbtes Blei enthalten, wodurch das ermittelte Alter zu hoch ausfällt. Bleiverlust und ererbtes Blei können sich hinsichtlich ihres Einflusses auf das Alter der Probe ausgleichen, was sich aber ohne zusätzliche Informationen nicht sicher bestimmen läßt. Deshalb ist es wünschenswert, besonders solche Proben zu analysieren, in denen der Gehalt an radiogenem Blei hoch ist. Hierzu müssen Annahmen über die Bleiisotopen-Verhältnisse zur Zeit der Bildung des Minerals gemacht werden, die z.B. aus Erzmineralen mit ähnlicher Altersstellung abgeleitet werden. Die beiden modernen Verfahren zur Isotopenmessung sind IDTIMS (für: Isotope Dilution-Thermal Ionization Mass Spectrometry) und SHRIMP (für: Super-High-Resolution Ion Microprobe). | ![]() |
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Die Präkambrium/Kambrium-Grenze ist nach internationaler Übereinkunft durch das erstmalige Auftreten des Spurenfossils Phycodes pedum bestimmt. Die Typlokalität ist ein Aufschluß im Südosten Neufundlands (Grotzinger et al. 1995). Mit der paläontologischen Definition ist jedoch kein absolutes Alter dieser Grenze verbunden, tatsächlich erwies sich die Bestimmung eines radiometrischen Alters wegen des Fehlens datierbaren Materials als schwierig. Die veränderte politische Lage kam den Forschern zu Hilfe. Bowring et al. (1993) bekamen Zugang zu einer Gegend in Sibirien, die zuvor militärisches Sperrgebiet war. Dadurch war es ihnen möglich, die U-Pb-Alter an Vulkaniten und Brekzien mit eingeschalteten kambrischen Gesteinen zu ermitteln. Daß es sich um vulkanische Brekzien handelte, die sich datieren lassen, ging aus den älteren geologischen Karten nicht hervor. Aus diesen Datierungen folgt, daß das Kambrium vor 544 Ma begann. Weitere Resultate zeigen, daß nicht nur der Beginn des Kambriums jünger einzustufen ist, sondern auch die Dauer des gesamten Kambriums komprimiert werden muß. Die erste Stufe des Kambriums dauerte nur 10-15 Ma. Das Untere Kambrium dürfte rund 35 Ma gedauert haben und bildet damit den Hauptteil des Systems (siehe Abb. 2). Dagegen verkürzt sich die Dauer des Mittleren und Oberen Kambriums von 17 bzw. 18 Ma auf jeweils nur rund 10 Ma (Bowring et al. 1993; Davidek et al. 1998). | ![]() |
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Anhand bestimmter Fossilgruppen (Leitfossilien) werden die einzelnen geologischen Systeme weiter untergliedert. So sind Mittleres und Oberes Kambrium hauptsächlich mit Hilfe der Trilobiten in 6 bzw. 7 Zonen eingeteilt. Die Dauer der einzelnen Zonen wurde früher mit 2,8 bzw. 2,6 Ma angegeben. Nach den jetzt vorliegenden Datierungen schmelzen sie durchschnittlich auf jeweils nur 1,5 Ma zusammen und sind denen jurassischer Ammoniten vergleichbar (Bowring & Erwin 1998). Für den angenommenen Weg der Lebensentwicklung sind sehr hohe Evolutionsraten erforderlich, die durch die jüngsten Datierungen sogar noch einmal gesteigert werden müssen. Bislang erwies sich die Bestimmung von Evolutionsraten ohne feste Zeitskala als schwierig. Wie lange existieren Lebensgemeinschaften, wieviel Zeit benötigen sie für die Radiation, wie lange dauert die Erholung nach Massensterben und schließlich: haben sich diese Raten während des Phanerozoikums verändert (Bowring & Erwin 1998)? Die hohe Auflösung der Zirkonalter verspricht erstmals Antworten auf diese fundamentalen Fragen. | ![]() |
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Das Kambrium ist nach allgemeinem paläontologischen Befund die Zeitperiode, in der das Leben auf der Erde eine explosive Entfaltung nahm. Alle heute bekannten Tierstämme und ein Großteil der Tierklassen existieren seit dem Kambrium. Auf die Dauer des gesamten Phanerozoikums bezogen treten die ersten Vertreter der Tierstämme fast gleichzeitig auf. Deshalb spricht man von der "kambrischen Explosion". Die Ursache für das plötzliche Erscheinen ist unbekannt. | ![]() |
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Für einige Zeit wurde die berühmte Ediacara-Fauna (siehe Abb. 3), die sich in Ablagerungen unmittelbar unter dem Kambrium findet, als möglicher Vorläufer der explosiven Ausbreitung des Lebens gedeutet (vgl. auch Stephan 1994). Inzwischen wurde sie aber auch im Kambrium nachgewiesen. Gleichzeitig finden sich immer mehr Vertreter der kambrischen Tierstämme auch unterhalb der Präkambrium/Kambrium-Grenze. Demnach lebten Ediacara-Fauna und Schalentiere gleichzeitig. Das stützt die Vermutung, daß die Lebensentfaltung bereits im späten Präkambrium erfolgt war, nur fossil bisher kaum bzw. gar nicht belegt ist. Die kambrische Explosion wäre dann nicht als der "Urknall des tierischen Lebens" zu verstehen (Erdtmann et al. 1994). Sowohl die neuen paläontologischen Funde als auch die Resultate der Altersbestimmungen stellen heute Schichten zeitlich nebeneinander, die zuvor im Sinne einer evolutiven Folge als nacheinander angesehen wurden (Grotzinger et al. 1995). Damit wird die Suche nach ursprünglichen Lebensformen ins späte Präkambrium gedrängt. | ![]() |
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Die Datierungen grenzen die Dauer des Massensterbens auf etwa 1 Million Jahre ein (Bowring et al. 1998). Zieht man außerdem die Ergebnisse der Kohlenstoff-Isotopenverhältnisse hinzu, folgt als maximale Dauer 165.000 Jahre. Damit ist ein katastrophisches Ereignis, z.B. ein Kometeneinschlag oder heftiger Vulkanismus als Auslöser wahrscheinlich. Der sibirische Flutbasalt-Vulkanismus wäre ein potentieller Kandidat. Die geochronologische Auflösung ist in diesem Bereich höher als die paläontologische (Bowring & Erwin 1998). Werden einzelne übereinanderliegende Aschelagen nach derselben Methode und Probenverarbeitung datiert, fallen beim Vergleich der Resultate systematische Fehler fort. Derartige Fehler sind z.B. durch Unsicherheiten der Zerfallskonstanten von Uran oder der Vergleichsproben mit definierten Anteilen radioaktiver Substanz gegeben. Während die einzelnen Alterswerte jeweils für sich allein betrachtet wegen systematischer Fehler falsch sein können, dürfte der relative Altersvergleich korrekte Werte liefern. Sind die zeitlichen Abstände zwischen den Schichten nicht wesentlich kleiner als der Meßfehler bei den Datierungen und können mehrere Lagen datiert werden, so läßt sich die relative Altersbeziehung möglicherweise als eine absolute ansehen mit weiterreichenden Folgerungen für die dazwischenliegenden Schichten. Beispielsweise ließen sich Aussagen zu Sedimentationsgeschwindigkeiten und - sofern Makroevolution vorausgesetzt wird - evolutiven Prozessen machen. | ![]() |
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Die gleichen Methoden wurden inzwischen eingesetzt, um Datierungen an kambrischen Sedimentgesteinen auszuführen. Wegen der geringen Konzentrationen an Blei und Uran und auch der leichten Mobilisierung des Urans liefern Sedimente meist unzuverlässige Zahlen. Datierungen an kalzitischen Konkretionen in Alaunschiefern des Oberen Kambriums aus Schweden versprachen wegen der hohen U/Pb-Verhältnisse jedoch sinnvolle Resultate (Israelson et al. 1996). Begünstigend wirkt sich hierbei aus, daß die Schiefer organisches Material enthalten, das Uran aus der Lösung extrahierte. Ein Alter von rund 510 Ma für die feinkristallinen inneren Füllungen der Konkretionen ist mit der stratigraphischen Stellung und der jüngst eingeforderten Korrektur der Zeitskala verträglich. Der äußere Rand der Konkretionen ist etwa 30 Ma jünger und wird durch langsame Umwandlung des Gesteins infolge späterer Kompaktion interpretiert. Die Kambrium/Ordovizium-Grenze dürfte jünger als 491 ± 1 Ma sein. Dies folgt aus der Datierung einer Aschenlage des Oberen Kambriums in Nordwales (Davidek et al. 1998). Unklar ist zur Zeit allerdings noch die biostratigraphische Definition dieser Grenze. Datierungen in anderen geologischen Systemen erlauben die zeitliche Eingrenzung der Graptholithen-Zonen im Ordovizium mit 1 bis 2 Ma und die der Graptholithen-Zonen im Silur mit 0,44 Ma, 1 Ma und 1,43 Ma (Hughes 1995; Tucker et al. 1990) anzugeben. Die früher genannte Zahl von 1 Ma für eine Graptholithenzone des Silurs war nur ein geschätzter Mittelwert. Die Ursachen der jetzt entdeckten unterschiedlichen Dauer der Zonen sind noch völlig unbekannt. | ![]() |
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Durch die jüngsten Fortschritte bei der Datierung vulkanischer Gesteine können einzelne Schichten auf weniger als 1 Ma genau datiert werden. Die Unsicherheiten, mit denen einzelne absolute Werte immer noch behaftet sein können, gelten für die relative zeitliche Beziehung der Schichten zueinander nicht mehr. Deshalb äußern die Geochronologen die Hoffnung, den Biologen Zahlen in die Hand geben zu können, mit denen die Dimensionen evolutionärer Prozesse besser erfaßt werden können (Bowring & Ewing 1998). Überraschungen sind eingeschlossen, wie die Entwicklung der letzten Jahre beweist, nach der die kambrische Explosion noch explosiver erscheint, als bis vor kurzem vermutet. In weiteren strittigen Fragen, wie z.B. der Ursache des Massensterbens an der Wende Perm/Trias, grenzen jüngere Datierungen die Zahl der Hypothesen insofern ein, als die Plötzlichkeit des Aussterbens ein katastrophisches Ereignis nahelegt (Bowring et al. 1998). Allerdings könnte sich die Wende Präkambrium/Kambrium hinsichtlich des Fossilbefundes und weiterer geologischer Indizien nicht als die strenge Grenze erweisen, die allgemein angenommen wird. Im Sinne eines stetigen Evolutionsgeschehens wäre zu fordern, daß noch mehr der aus dem Kambrium bekannten Stämme im späten Proterozoikum auftauchen, vor allem aber passende Vorläuferformen. Andernfalls müßten für die kambrische Explosion ungewöhnliche evolutive Schübe angenommen werden. Eine Schlüsselrolle würde dann Datierungen spätproterozoischer Gesteine zukommen, die allerdings recht selten sind. Ob es im Proterozoikum oder auch im Phanerozoikum zu weiteren Verschiebungen der existierenden Zeitskala kommt, läßt sich zur Zeit nicht absehen. Danksagung: Bei Thomas Herzog und Reinhard Junker möchte ich mich herzlich für die Durchsicht und kritische Kommentare zu diesem Beitrag bedanken. | ![]() |
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