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von Judith Fehrer & Frieder Zimbelmann
Studium Integrale Journal 5. Jahrgang / Heft 1 - April 1998 Seite 31 - 33
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Der Konfuzius-Vogel. 1995 wurde aus dem Nordosten Chinas der Fund eines fossilen Vogels bekannt, den man Confuciusornis sanctus nannte (Hou et al. 1995a,b; vgl. Studium Integrale Journal 3 (1996), 42). Der Fund stammt aus Süßwasserablagerungen der unteren Kreide, ist also nur wenig jünger als die nur aus marinen Ablagerungen Deutschlands bekannten Archaeopteryx-Fossilien (von denen inzwischen ein achtes Exemplar gefunden wurde). Es handelt sich um den frühesten Nachweis eines Vogels mit zahnlosem Hornschnabel. Sein Körper ist von Konturfedern bedeckt, die bei Archaeopteryx nicht eindeutig nachzuweisen waren und zu Zweifeln an dessen Warmblütigkeit führten. Das Skelett von Confuciusornis ist eine mosaikartige Kombination aus "fortschrittlicher" Schädelanatomie und Archaeopteryx-ähnlichen postcranialen Teilen (z.B Becken und Finger).
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Abb. 1: Eine Platte mit dem Skelett eines Vogels aus der Unterkreide Chinas. Um die Einzelheiten besser hervortreten zu lassen, wurde sie mit Ammoniumchlorid beschichtet. Dabei werden allerdings die Federreste verdeckt. Maßstab: 4 cm. (Aus Peters 1996, Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags) |
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Mittlerweile ist der Konfuziusvogel dabei, Archaeopteryx den Rang abzulaufen, was Anzahl und Erhaltungszustand der Funde betrifft. Von derselben Fundstelle in Beipiao (Liaoning, China) sind mittlerweile wohl an die hundert Exemplare gefunden worden, die mit den als Confuciusornis beschriebenen Exemplaren weitgehend übereinstimmen, aber auch einige Unterschiede aufweisen (Peters 1996). Allein das Senckenbergmuseum in Frankfurt besitzt zur Zeit neun vollständige Exemplare (Peters 1997a). Eines davon wurde bereits näher beschrieben (Peters 1996; Abb. 1). Zwei weitere Platten lagern z.B. in Eichstätt. Die Verfügbarkeit so vieler vollständiger Funde ist geradezu als Glücksfall zu bezeichnen, da verschiedene Details auf den Platten unterschiedlich gut zu erkennen sind. Zusätzliche, bei Confuciusornis nicht beschriebene Merkmale unterstreichen die Bedeutung der Funde.
Mosaikmerkmale bei Confuciusornis und ähnlichen Funden. Bei Confuciusornis liegt kein langer, reptilienähnlicher Schwanz vor. In der Rekonstruktionszeichnung von Hou et al. (1995b) ist der Schwanz wohl nur nach Vermutungen ergänzt worden. Die Senckenberger Exemplare haben miteinander verschmolzene Schwanzwirbel, die eine Art Pygostyl bilden, wie man es von heutigen Vögeln kennt. Es ist aufgrund seines Baus nicht aus dem Archaeopteryx-Schwanz ableitbar.
Bei den Beinen handelt es sich offenbar um Lauf-, nicht um Kletterbeine. Man bedenke, daß viele Hypothesen zur Entstehung des Fliegens davon ausgehen, daß Vögel zunächst auf Bäume kletterten und dann eine Art Gleitflug ausführten. Bei etwa einem Viertel der untersuchten Exemplare ist ein Brustbein mit einem niedrigen Kiel in der hinteren Hälfte zu erkennen. Das Brustbein ist sehr dünn. Es könnte bei jüngeren Tieren aus Knorpel bestanden haben und nur bei sehr alten Tieren verknöchert gewesen sein. Das würde erklären, warum man es nicht bei allen Exemplaren findet. Auch bei heutigen Vögeln verknöchert das Brustbein relativ spät in der Entwicklung. Brustbein und Brustbeinkiel spielen als Ansatzstellen für die Flugmuskulatur eine wesentliche Rolle für die Flugfähigkeit der Vögel.
Am Flügel findet man zwei getrennte Gelenkachsen, die eine Verschiebung der Knochen gegeneinander bewirken, wodurch sich wie bei heutigen Vögeln eine mechanische Kopplung von Ellbogen- und Handwurzelgelenk ergeben mußte; eine Einrichtung, die nach Peters (1997a, b) nur Sinn ergibt, wenn der Vogel flugfähig war. Drei recht lange, getrennte Finger waren vermutlich wesentlich beweglicher als die von Archaeopteryx. Die ebenso langen, aber wenig gebogenen Krallen sind keine typischen Kletterkrallen (Peters 1997a, b). Ihre Funktion ist bislang unklar. Kürzlich konnten bei zahlreichen rezenten Vogelgruppen Restkrallen nachgewiesen werden, und zwar bei so unterschiedlichen Arten wie Strauß und Mauersegler (Stephan 1992).
Abb. 2: Mögliches Flugbild der Senckenberg-Fossilien (nach einer Folie von Prof. D. S. Peters). Die ungefähre Lage der Arm- und Fingerknochen ist als Zickzack-Linie angedeutet. |
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Besonders interessant ist die Befiederung von Confuciusornis und der ähnlichen Funde: Sie besteht aus gewaltigen Schwingen, einem eher kurzen Schwanz und zwei riesigen, schmalen Schwanzfedern, die sich am ehesten als Schmuckfedern interpretieren lassen. Diese Befiederung macht eine Haltung des Vogels wie in der Rekonstruktion von Hou et al. (1995b) unwahrscheinlich. Naheliegender wäre, einen ausdauernden Segler anzunehmen (Peters 1997a,b; Abb. 2).
Der Daumen ist, anders als bei heutigen Vögeln, nicht befiedert. Allerdings trägt der dritte Finger möglicherweise eine eigene Serie von Schwungfedern. Man kann spekulieren, ob dadurch ein Doppeldeckereffekt entstand, der eine ähnliche Funktion erfüllte wie die Daumenschwinge. Diese dient bei heutigen Vögeln als Landeklappe und verhindert, daß der Luftstrom um den Flügel bei langsamen Geschwindigkeiten abreißt.
Die Mittelfußknochen, die den Lauf bilden, sind wie bei Archaeopteryx nur am oberen Ende miteinander verschmolzen. In der Ontogenese der heutigen Vögel erfolgt die Verknöcherung von unten her. Daraus folgt, daß es mindestens zwei verschiedene Entwicklungswege gegeben haben muß, die zum einen zu Confuciusornis und zum anderen zu den heutigen Vögeln führte (vgl. Abb. 4).
Ob alle Exemplare zur gleichen Art gehören, ist nicht klar. Sie wurden jedenfalls in großen Mengen gefunden, öfter z.B. 2-3 vollständige Exemplare auf derselben Platte. Einige Merkmale sind bei den Senckenberg-Exemplaren (und Confuciusornis?) einzigartig; sie kommen weder bei Archaeopteryx noch bei heutigen Vögeln vor. Daneben wurden auch Vögel gefunden, die einen vollständig verschmolzenen Lauf und ein Brustbein mit einem über die Gesamtlänge verlaufenden Kiel aufweisen.
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